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Das Rätsel von Chiang Mai – Fortsetzung

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Das Ganze mutet an wie die bühnenbildnerische Gestaltung einer verdichteten Theater-Aufführung, überlegte ich. Sie ergibt sich durch die Verdoppelung der Szenerie durch das spiegelnde „Schaufenster“.

Zwischen Schaufenster und Zuschauern führt ein Fußweg mit Passanten und Motorradfahrern entlang. Es ließen sich mit dieser weiteren Ebene verschiedene, ineinander greifende Spielhandlungen inszenieren.

Plötzlich geht das Licht an. Das spiegelnde „Schaufenster“ ist weg. Wie bei Fellinis surrealistischen Übergängen wird umgeschaltet, switch switch switch, in eine neue, ganz andere Szene. Es handelt sich um einen „Innenraum“. Ein älterer Mann kommt in seine Küche, öffnet seinen Kühlschrank, geht kurz hinaus, wobei er die Kühlschranktür offen stehen lässt, kommt wieder und stellt einen vollen Plastiksack in den Kühlschrank, dann wendet er sich dem Fenster, allerdings von innen, zu, öffnet es. Ich kann nicht erkennen, ob er mich gegenüber sitzend wahrgenommen hat, jedoch, als er sich bückt und am Boden herumkratzt, erlebe ich das als auf mich gemünzt. So, wie wenn jemand fragt: Was schaust du mich so an?, senke ich die Kamera und mache sie aus, soll heißen schaue beschämt wegen meiner Unverhohlenheit weg. Damit richtet sich der Mann auf und zieht die Jalousie herunter.

Diese Jalousie ist in der letzten Sequenz zu sehen. Als wäre es wieder eine andere Szene, eine andere Spielhandlung, sind die Zeichen und Protestparolen der jugendlichen Rebellion auf der grauen, tristen Jalousie zu sehen.

Im Nachgang fantasiere ich, der ältere Mann erinnere mich von der Gestalt her an den Dalai Lama. Es ließe sich eine Überblendung mit einer Sequenz, in der der Dalai Lama zu sehen ist, einfügen an der Stelle, an der mich die Welle der Betroffenheit durch die Betroffenheit des anderen, der sich gefilmt sieht, trifft.

Wenn sich ein Geschehen bzw. ein Ereignis durch einen unbeteiligten Beobachter verändert, dann durch die Wahrnehmung und Reaktion des Beobachteten.

Tatsächlich ist der unbeteiligte Beobachter, zumal mit Kamera, Bestandteil der Szene. Er beschäftigt sich mit bühnenbildnerischen Ideen für den Film. Als fänden seine Überlegungen Resonanz und Antwort, call and response beim Kirtan, stellt sich der zufällige Zufall einer passenden Erweiterung, um nicht zu sagen, einer erhellenden Handlungsdimension in einem neuentstandenen Raum, ein.

Objektiv betrachtet handelt es sich um unzusammenhängende und von einander unabhängige Ereignisse, Geschehnisse. Erst über das Verständnisbild des Theaters und des Filmschaffens entsteht ein subjektives Verständnis für ein theatralisches Bühnengeschehen. In diesem sind die einzelnen Spielorte miteinander verwoben, weil der Zuschauer sie als solche um sich her wahrnimmt.

Das ist in etwa dasselbe Prinzip, wie mit dem Gitanjali Nr. 100“ Hörerlebnis, bei dem der Hörer nicht mehr nur von vorne, sondern von den Seiten um ihn herum, von den Emporen in der Kirche, den Klang des Chores und der Sänger hört? Das Subjekt rückt durch die 5.1 Musikanlage, die 3D- Musik mit Raumklang, durch den im Kirchenschiff räumlich verteilten Chor in den Mittelpunkt des Hörerlebnisses.

Übertragen auf die visuelle Sinneswahrnehmung wie im Film, erscheint das Subjekt in den Mittelpunkt verschiedener, erst einmal unabhängig von einander erscheinender Handlungsfelder gerückt ... fast wie im wahren Leben nur eben theatralisch mittels Bühnenbild verdichtet.

Wenn im Theater, der Oper oder im Film die Urheberschaft deutlich ist, weil sie augenscheinlich bis auf den Autoren, den Komponisten als Schöpfer des jeweiligen Werkes zurückzuführen ist, dann ist angesichts dieses Videos zu fragen, wer ist der Urheber dieses im Video dargestellten Geschehens. Ich selber begreife mich nur als Werkzeug, als Umsetzer, als „Realisator“ dessen, was sich in diesem Wechselspiel von inneren und äußeren Zusammenhängen zu einer subjektiven Synchronizität des Geschehens aufbaut. Nichts desto trotz haftet dem Erleben solcher Synchron-Geschehnisse eine besondere Magie an. Sie beflügelt Allmachtsphantasien nämlich allein aufgrund des Denkens und des Sich-Vorstellungen-Machens in der Lage zu sein, äußere Wirklichkeitsabläufe kreieren zu können. Wie gesagt, woher kommen solche Eingebungen? Sicherlich, sie ergeben sich aus dem eigenen Tun: Der Filmemacher sieht Aufführungsmöglichkeiten so wie der Fischer Fische fischend Fische ahnungsvoll unter der Wasseroberfläche sieht, doch reicht das hin, um auf geistige Zauberkraft zu schließen, nämlich große Fische ins Netz gehen zu lassen oder aber einen Film mit magischen Kräften zu versehen?

Abgesehen davon, dass ich mir intensiv jeden Tag dies und das vorstelle, was wie sein könnte oder geschehen könnte und es tritt nicht ein, sind Synchronizitäten, diese zufälligen Zufälle, nichts anderes als herrlich duftende Blumenblüten des Seins in die einzutauchen erfrischend wohltuend wirkt, wobei dies die angenehmen Geschehnisse meint. Wahrnehmen - bewusst werden lassen – explizit benennen - hilft, um aus Serien und sich wiederholenden Mustern auszuscheren.

Nach diesen Versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel innerer und äußerer Zusammenhänge zu bringen, bleibt mir als Rätsel von Chiang Mai: Was war denn nun in der Plastiktüte, die der Mann in den Kühlschrank stellte?

Das ist irrelevant. Es werden wohl Lebensmittel gewesen sein. Es gilt vielmehr auf die Form zu achten als auf den Inhalt. Damit erhält die Plastiktüte Bedeutung. Angesichts der Umweltverschmutzung, der Verseuchung der Weltmeere mit Plastik, lautet das Rätsel : Was anstatt Plastik kann zwecks Verpackung und Transport verwendet werden?

Aber auch das lässt mich unzufrieden zurück. Durch dieses Nachdenken über Zufälle, die Synchronizität innerer und äußerer Geschehnisse und das bühnenbildnerische Gestalten geht verloren, was eigentlich zu sehen war: Ein beobachtender und mit der Kamera aufnehmender Mann, zwei weitere Männer im Gespräch und ein alter Mann. Es liegt nahe, die Geschichte zu erzählen, dass die beiden Männer sich über ihre Väter unterhalten, plötzlich erscheint er und ist zu sehen, wie er des Nachts in seine Küche kommt. Wo ist seine Frau? Lebt er allein? Mithin, der Zufall kreierte ein Männerstilleben.








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