Gruppensex

im chinesischen Unterricht

von
Dirk Glomptner

Zeichnungen von
Konrad Masiero

Leipzig im Juli 2019



KarusselZwischen diesen beiden Bildern liegen wahrlich Welten, referierte die Uni-Dozentin 0911B. Vor ihr saßen chinesische Studis an fein säuberlich aufgereihten Schulbänken. Schauen Sie nur die erste Illustration. Ganz offensichtlich ist sie in Anlehnung an ein Gemälde von Felicien Rops entstanden: "Die letzte Runde auf dem Karussel". Diesen Titel gab Rops einem Karussell-Vorhang auf dem Jahrmarkt. Was meinen Sie, um was für einen Jahrmarkt es sich wohl im Frankreich des 19. Jahrhunderts gehandelt haben mochte?
Tchi meldete sich vorlaut wie ein pubertierender und Terzanimeinte in die Runde der Klasse: "Mich erinnert der Titel viel mehr an Tiziano Terzani, den bedeutensten Asien-Korrespondenten der Jahrtausend-Wende." -
"Darum geht es nicht," erwiderte Frau 0911B. "Was sehen Sie auf den Bildern? ... Manchmal ist es nämlich nicht so einfach, beschreiben zu können, was auf Bildern zu sehen ist?" Die ausgesprochen hübsche Mosa hob ihren Arm, 0911B nickte ihr auffordernd zu. "Mir scheint die linke Nackte auf einem Teufel zu reiten und ihn da
bei heftig mit einer Rute zu schlagen. Wenn sie mir eher antik, wie auf einer griechischen Vasenmalerei vorkommt, dann entstammt das Teufelchen eher der christlichen Mythologie." 0911B lächelte zufrieden angesichts dieser profunden kunst-historischen Analyse, zückte das rote NotizbüchleinMaostern mit dem Mao-Stern und notiert durchaus demonstrativ für die anwesenden Studis eine 1A in mündlicher Beteiligung und political correctness. "Gut, meine Damen und Herren, und was sehen zum Beispiel auf dem anderen Bild?" - Schweigen - Tshan Su rückte sich die Brille zurecht und zwinkerte als wenn sie nicht richtig erkennen könne, Chuck Mi schaute auf den Boden und grinste, San Rizu, der sonst helle im Kopfan der Bare schien, glotzte einfach nur, als wenn er nicht fassen könne, was er da sah. Schließlich meldete sich aus der letzten Reihe Hu Muh: "Ich sehe zwei nackte Frauen, die rechte scheint zu tanzen ... als wenn es Mulattinnen sind." - Ma Shi ergänzte weiter: "Auf die Theke einer Bar gelehnt schaut eine hübsche Blondine, was vor der Bar vor sich geht." Schweigen, ein langes, nicht enden wollendes Schweigen, schließlich fragt 0911B: "Wovon hängt es also ab, beschreiben zu können, was man sieht?" Gewiss nicht davon, ob andere Leute da sind oder nicht, wie auf diesem Bild "Beach Pool Party" geheißen. "Wo sind denn die ganzen Leute hin?", fragt der vorlaute Tchi. - "Na, zur Strand-Pool-Partei", gigelt Hu Muh aus der letzten Reihe. 0911B zückt das besagte rote Notizbüchlein
mit dem Mao-Stern und notiert durchaus demonstrativ für die anwesenden Studis eine 4C in mündlicher Beteiligung und political correctness, was als eine subversive Äußerung mit zweifelhaftem Aussagewert verstanden wird, wozu anzumerken ist, dass von der Polit-Abteilung solche Äußerungen mit Beobachtungs-Vermerk versehen werden. Für Honkonger Studis kommt das nur einer AStrandSzenebmahnung gleich, wohingegen es von den Shanghaiern offiziell als harte Hand der Partei-Führung verstanden wird, so dass man zu weiterem lieber den Mund hält.
Doch so ist es nicht mit Hi Mai. Sie meldet sich mutig hebt sie ihre Hand, 0911B nickt ihr zu, sie hebt an mit pathetischer Stimme der Volksarmee anzutönen, um dann doch besinnlich zu werden: "
Ich sehe auf dem Bar-Bild nicht das Bild, dass so berühmt ist in der Berliner Swinger-Club-Szene. Es hängt hinter der Bar an der Wand. ... Wie ihr alle wißt, treiben es dort ganz viele nackte Frauen und Männer wild und bunt miteinander .... wobei miteinander meint, dass sie sich angucken und etwas ... ihr wißt schon was ... zusammen machen." 0911B zeigt sich überrascht und fragt, wie man hier zu Lande Klein Erna fragt: "Hu Mai, woher weißt du das denn so genau?" Hu Mai wird schamrot: "Mein großer Bruder hat es mir erzählt." - "So, so, dein großer Bruder hat es dir erzählt," äfft Tchi ihr nach. Wütend dreht sich Hu Mai um und faucht: "Dich würden sie in den Club ja noch nicht reinlassen!" Alle grinsten, 0911B zückte das besagte rote Notizbüchlein mit dem Mao-Stern und notiert durchaus demonstrativ für die anwesenden Studis eine 1A in mündlicher Beteiligung und political keckness.

Chuck Mi meldete sich zu Wort 0911B nickte ihm zu. "Wenn wir uns dieses Bar-Bild genauer anschauen, es sozusagen heran
Zoom auf die Barszene zoomen und zwar die beiden etwa 30 bis 40 jährigen Herren an der Theke, stehend, nackter Oberkörper, beide haben die Hosen herab gelassen, dann erscheint unverkennbar eine jüngere, vielleicht 25 jährige Blondine quasi bäuchlings auf einen Barhocker gelegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das über längere Zeit bequem und angenehm ist. Anscheinend hält sie sich locker an den Beinen und dem Hintern ihres Vordermannes fest. Ihr langes Haar fällt in dieser liegenden Position wie eine Gardine vor ihr Gesicht und wie anzunehmen vor das erigierte Glied dieses Mannes, der eine eckige Brille trägt und auf sie herabschaut. Seine Hand liegt auf ihrem Hinterkopf. Ob er ihren Kopf mit schwerer Hand hinunter zwingt oder sie einfach nur leicht und genüßlich auf ihr Haar legt, ist nicht zu unterscheiden. Jedoch scheint sein Blick hinab einige Intensität auszustrahlen angesichts dessen, was da lutschend und warm, mit ihrem Kopf an seinem Bauch, vor sich geht. ... Wie gesagt, das kann nicht lange so gehen, wie sie da auf dem Barhocker bäuchlings liegt und sich mit ihren Beinen, verschränkt hinter dem Rücken des hinter ihr stehenden jungen Mannes, festhält, was tatsächlich ihrem Bauch auf dem sonst ihr Gewicht ruhen würde, entlasten könnte. Der Typ hinter ihr scheint voll breit zu sein, wie sie und auch der Mann vor ihr. ... Die Enthemmung gewisser Substanzen muss jegliche Scham und Körperanstrengungen beiseite gedrängt haben. Während der Typ hinter ihr also die letzten Tropfen aus einem Sektglas mit gen Himmel gestreckten Kopf und Mund aus dem geleerten Champagnerglas zu erschlürfen sucht, wodurch er völlig unbeteiligt zu sein scheint, was sich zwischen ihren Beinen und wie anzunehmen seiner dicken Latte, abspielt, nämlich höchst wahrscheinlich rythmische vorwärts und rückwärts gehende Bewegungen und zwar ihrem Rhythmus nach, den sie ihm durch das Vor und Zurück ihres Fersenspiels gegen seinen Rücken vermittelt."

"Chuck Mi, wenn du das so beschreibst, dann nimmst du dem Bild die zerreißende Qualität der Karrikatur, erwiderte San Rizu ein wenig aufgebracht. Karrikaturen zerreißen durch Zuspitzung. Zerreißen meint Verneinung durch Lächerlich Machen. Lächerlich ist diese Haltung, besser gesagt die soziale Lage dieser ansonsten sportlich wirkenden Frau. Sie hat etwas erbärmliches, Sie ist auch ziemlich mager - die Herren allerdings auch - Sie erscheinen als dekandeter Auswurf des mitteleuropäischen Kapitalismus sozialer Prägung. ... Da wissen offensichtlich einige Leute nichts besseres
mit sich anzufangen als sich hinwegzubeamen in die tiefsten Urgründe des menschlichen Schöpfungsaktes, um dann solch unerquickliches Zeug miteinander zu machen. Ich, für meinen Teil, stelle mir einen Theken-Dreier anders vor und zwar so, wie beschrieben in Tantra meets - miez Swinger."

Ma Shi schob sich neugierig auf ihrem Platz vor: "Beschreib es uns San Ruzi ... jetzt und hier ... Wie sieht ein Theken-Dreier wirklich aus?"

Doch bevor  San Ruzi noch zu irgend einer Antwort kommen könnte, schaltet sich 0911B mit drohendend schriller Stimme ein: "Ma Shi, du hast es nicht gelesen. Es steht auf der Liste der zu lesenden Literatur, sonst wüßtest du wie ein Theken-Dreier geht."
0911B zückte das besagte rote Notizbüchlein mit dem Mao-Stern und notiert durchaus demonstrativ für die anwesenden Studis eine 6C in mündlicher Beteiligung und political keckness.



Personen:


0911B die um ihren Namen gebrachte, also zur funktionalen Stellenplan-Inhaberin degradierte Uni-Dozentin, immerhin eine Habil W3
Hu Mai die mit dem großen Bruder
Tshi der Vorlaute
Mosa das werdende Model
Tshan Su der Zwickelträger
Hu Mu
Ma Shi
Chuck Mi
San Rizu