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Umarmen geht nicht! - Über Video-Konferenzen im Corona-Lockdown

Leipzig im Januar 2021, DG


Inzwischen sind die online Video-Konferenzen auf der kommunalen Ebene angekommen. Ihr Siegeszug, soviel ist seit der Corona Krise gewiss, wird sich fortsetzen. Weitergehende Entwicklungen, nicht nur des home office, also der Arbeit im eigenen Zuhause, werden selbstverständlicher und so auch die „Bürgerbeteiligung“ zum einen im demokratischen Abstimmunsgprozess und zum anderen zur Konsensbildung.


Video 12:30

Die „Bürgerbeteiligung“ scheint, zumindest der Leipziger Stadtverwaltung, ein ernsthaftes Anliegen zu sein. Nachdem die Corona-Massregelungen jegliche Versammlungen und so auch die politischen als auch kirchlichen Versammlungen untersagten, zeigte sich zwar, dass die Politik auch ohne die Bürger funktioniert, aber offensichtlich fehlt dem Polit-Management das unmittelbare Publikum, da selbst die Journalisten allenfalls online oder über Fernsehbilder informiert werden. Wen wundert es, wenn die Corona-Krise derart neue Stilblüten des kommunikativen Austauschs technologisch mittels der online-Konferenzen treibt?


Die Verschärfung der Corona-Massnahmen erzwingen geradezu die menschliche Fähigkeit, die online Technologien in den Arbeits-, Studien- und Schul-Alltag mehr und mehr zu integrieren bzw. um überhaupt noch irgend etwas auf die Beine stellen zu können. Gewiss, so etwas mag es schon lange geben haben, z.B. die Bildtelefonie mit Skype, ein alter Hut von 2003, aber in der Breite und massenhaften Anwendung bewirkt die Corona-Pandemie das Erreichen einer kritischen Anwender-Masse, die unweigerlich zu einem innovativen Mutationssprung gesellschaftlicher und arbeitstechnischer Weise führt. Zu denken ist also nicht nur z.B. daran, auswärtige Besucher von Konferenzen und Tagungen, von Seminaren und Veranstaltungen, generell mittels online Video-Technik einzubinden, so als wären sie vor Ort präsent, sondern die isolationistischen Auswirkungen der Pandemie-Massnahmen durch online-Technologien zumindest ein wenig abzumildern.


Deutlich wurde mir dies anlässlich der Vorstellung des Leipziger Aktionsprogramms Radverkehr 2021/22 durch die Stadtverwaltung. Es wurde eine online Pressekonferenz anberaumt, diesmal nicht über die gängigen Video-Plattformen Zoom, Jitsi oder bigbluebutton, sondern schlicht über Microsoft Teams. Ob das politisch zu werten ist, wurde die Bill Gates Firma aus den Reihen der Querdenker doch der Verschwörung und Bereicherung beschuldigt, bleibt dahingestellt.

Wie schon bei der bundespräsidialen online Veranstaltung zur Gründung des Deutschen Reiches zu sehen, macht es einen großen Unterschied, ob die Gesprächsteilnehmer face-to-face miteinander reden können oder aber online zugeschaltet sind. Ein wesentlicher Unterschied besteht im direkten Blickkontakt, der zugleich auch eine Beziehungsaufnahme beinhaltet. Im online Video-Chat ist dies meist wegen der unterschiedlichen Positionierung von Kamera und Monitor nicht möglich. Wie im bundespräsidialen Video zu sehen, 43:35 Min., wendet sich der moderierende Bundespräsident Steinmeier seinem aus Cambridge zugeschalteten Gesprächspartner Sir Clark zwar zu, aber Sir Clark sieht nur die übertragene Aufnahme auf seinem Monitorbild und und der Zuschauer ihn, wie er in seine Computer-Kamera spricht. Mithin, der armselige Stand der Video-Technologie unterstützt die unmittelbare Beziehungsaufnahme nicht.


Wenn dann von mehr Bürgerbeteiligung durch online-Verfahren die Rede ist, steht entsprechend zu erwarten, dass nach dem Hype der Einführung die resignative Abstinenz der Wahl- und Stimmbürger eher zunimmt.

Doch wohin könnte die technologische Weiterentwicklung der online-Konferenzen und Abstimmungs-Verfahren im politischen Raum genauso wie in Wissenschaft, Schule und im Home Office gehen?


Die technische Apparatur von Kamera und Monitor, insbesondere bei stehenden Bildern, wie sie in Gesprächsrunden oftmals gegeben sind, bildet eine kommunikative Einheit von Sehen und Wahrgenommen Werden. Stellvertretend steh diese Apparatur für die zugeschaltete Person bzw. den Zuhörer im Raum. Er ist auf dem 2-dimensionalen Monitorbild in seinem Ambiente zu sehen. Inwieweit eine interaktive Beweglichkeit dieser Stellvertreter-Apparatur möglich ist und, zumal Zeitverzögerungen auftreten, zu natürlicheren Wahrnehmungen führt, mag der Technologie-Entwicklung anheim gestellt bleiben. Doch ist einmal diese Stellvertreter Apparatur von Kamera und Monitor im Gesprächsraum, drängt unweigerlich der Ruf nach Weiterentwicklungen sowohl was die räumliche Ausgestaltung der bisher auf das Arbeitsgerät Computer bezogenen Video-Konferenzen betrifft als auch was holographische Projektions-Methoden angeht.


Noch klingt es nach utopischer Zukunftsmusik, dass die Notwendigkeiten der Corona-Krise mit ihrem massenwirksamen Technologie-Effekt sich anschicken könnte, Gesprächsteilnehmer ins Hier und Jetzt der Diskussionen zu beamen. Inwieweit das holographische Substitut wiederum mit technischer Hardware verbunden werden kann und derart eine Vitalisierung, um nicht zu sagen Beseelung der vier-dimensionalen Raum-Zeit-Erscheinung einer holographischen Projektion erfolgen kann, scheint dabei weniger eine Sache mystischen Zaubers als vielmehr eine Angelegenheit von technischen Zugangsberechtigungen und kompatiblen Remote-Systemen.



Ein weiterer Verknüpfungspunkt ergibt sich aus den nicht nur technisch zu erkundenden Verknüpfungsmöglichkeiten der online-Technologien mit Radio und Fernsehen. Durchgesetzt hat sich mittlerweile das Internet- Radio und Fernsehen, aber keine Spur von Interaktivität, soll heißen der schriftliche Chat-Kanal und die Zuschaltung von Bürgern, Teilnehmern, Fragestellern und Diskutanten dürfte wahrlich ein besonderes Licht auf die Schaltstelle der Moderation werfen.




Dank an:


Institut für Integrale Studien IFIS Freiburg - Online Colloquium 38


ecoVillage Hannover - AG Tiny Häuser


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier - 150. Jahrestag der Gründung des Deutschen Reiches


World Economic Forum 2021 - Carbon Markets


January 27, 202119:20 - 20:00CET


Stadtverwaltung Leipzig - Pressekonferenz Aktionsprogramm Radverkehr 2021/22


ver.di Bezirk Leipzig - Protest zu Coronazeiten - Querdenker und Alternativen






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