Über Welten online



Video 55 Minuten, Trailer



Das Nichts und der Zufall

Puregg, Haus der Stille, im November 2023



Web-Links

Puregg – Haus der Stille
https://www.puregg.at/

Kobun Chino Otogawa Roshi

David Steindl-Rast

WWF :Amazonas: Dürre im Regenwald

NZZ: Im Amazonasgebiet droht die Versteppung

ARETENews: Hotter than ever

Warum die Dürre im Amazonasgebiet alle Rekorde bricht
https://www.spektrum.de/news/warum-die-duerre-im-amazonas-regenwald-derzeit-alle-rekorde-bricht/2198496

Abenteuer-regenwald.de/wissen/folgen
https://www.abenteuer-regenwald.de/wissen/folgen



Externe Videos:

Vom Berg herunterkommen – Wissenschaft, Meditation und Psilocybin
https://www.youtube.com/watch?v=_8nxW3YidWU

Kobun on Enlightment, Dharma Talk in Puregg
https://www.youtube.com/watch?v=Boqd3rALZWs

Ein Sommer in Tassajara
1968 (00:44:21) ©KQED
https://www.bibliothek-david-steindl-rast.ch/bibliothek/videos/filme

Massen an Fischen sterben wegen Dürre im Amazonasbecken
https://www.youtube.com/watch?v=4WG5O-cxR1M

Over 100 endangered pink dolphins found dead in the Brazilian Amazon
https://www.youtube.com/watch?v=mNw1QL466m4

Die DÜRRE-KATASTROPHE in BRASILIEN, ARGENTINIEN und PARAGUAY
https://www.youtube.com/watch?v=Vt2-531wDx4

2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen
https://www.zdf.de/nachrichten/wissen/klima-copernicus-2023-waermstes-jahr-100.html

Vesakh 2020 Haus der Stille Puregg
https://www.youtube.com/watch?v=NWY1pz-NGn0

David Steindl-Rast: Was ist der Sinn des Lebens? | Sternstunde Religion | SRF Kultur
https://www.youtube.com/watch?v=3rLNALMh_yk

Zen In America - Full Documentary (Shunryū Suzuki Roshi 祥岳俊隆)

https://www.youtube.com/watch?v=tMGSFhXU1I8







Text

Ein Zen-Retreat

Immer dasselbe,
nur jedes mal anders

In ruhigen Bildern erzählt der Film über die inneren Vorgänge beim Meditieren in der Zurückgezogenheit eines kleinen Zen-Klosters in den Berchtesgardener Alpen. Eine Art Magie wird deutlich. Sie wirft Fragen auf, die zwar ungelöst doch einen Weg, zumindest eine Richtung im pfadlosen Land innerweltlichen Erlebens und der Lebenswelt aufweisen.
...




Intro

Wo bin ich hier gelandet?, fragte sich Michael Welten. Für einen Monat wollte er sich in die herbstliche Bergwelt der Berchtesgadener Alpen zurückziehen. Raus aus der Stadt, raus aus der Hektik, dem Stress von Aufgaben und Menschen und hinein in die absolute Stille hoch droben, knapp unter dem Gipfel des Hochkönigs, zwar noch unterhalb der Baumgrenze, aber doch weit, weit entfernt von Straßenlärm, Verkehr und Menschen. Es war Spätherbst. Der November neigte sich dem Ende zu. Schnee, für Welten, dem Flachland-Indianer aus der Großstadt, überraschend, fiel Schnee in dicken Flocken und tauchte die Landschaft in glitzerndes Weiß – wenn die Sonne schien. Sie schien aber nicht immer, sondern allenfalls gelegentlich. Wolken, das Grau einer undurchdringlichen Nebeldecke, Regen, Kälte wechselte sich ab mit blauen Himmelslücken, durch die die Sonnenstrahlen flach über die Berggipfel durch das Immergrün der Tannenwälder hinein in sein Fenster fiel. Nach einer Woche war Michael klar, das Tal mit dem kleinen Dorf und der Kirche, die Berghänge auf denen Ski-Lifte die Wintersaison erwarteten, war, gesehen von ihrer Berghütte, nichts anderes als eine Aussicht auf das Immerselbe, nur jedes mal anders. Die unterschiedliche Erscheinungsform des Immerselben kam vom Wetter, kam vom täglichen und jahreszeitlichen Wandel der Sonne, kam vom Wind, der die Wolken über die Gipfel trieb und mit weißen Nebelkissen die Kirche im Tal zudeckte. Welten erkannte, wenn das Ganze des Planeten Erde das Lebewesen Gaia war, dann war es das Wetter mit seinen Wolken, dem Regen, dem Schnee und den Temperaturunterschieden, das die Gefühle, die Stimmung dieses planetaren Lebewesens an genau diesem Ort zum Ausdruck brachte. Wenn Gaia denken konnte, fühlen konnte, dann zeigte sich das im Wetter. Heute lag sie unter einer dicken Wolkensuppe im Grau, das doch irgendwie hell den Schnee und Frost auf den Ästen in die Weite der Schneeflächen reflektierte, um schon im nächsten Moment in den Nebelschwaden einer aufsteigenden Wolke zu verschwinden.


Herbstes Glück


Daher kommt es

dahin geht Es ist das Glück

tropft in Tropfen fließen zusammen

sind sie ein Bach rinnt zu Tal,

Wolken fliegen darüber

her vom Meer klingen Wellen

im Wind ein Rauschen

in den Ästen bunt die Blätter im Herbst



Es war der Rückzug in eine ungeahnte Leere. In ihr gab es nur ihn, das heißt in seiner freien Zeit, denn tatsächlich lebte in der Berghütte über den Winter hin ein junger Mann, Steve, sowie Ananda, die Zen-Lehrerin, früher hätte man gesagt: Zen-Meisterin. Im Monat gab es zwei Seminare, einmal sechs Tage und das andere vier Tage. Wenn die Teilnehmer kamen, dann war richtig was los: Gespräche, ein Sich Kennenlernen, jedenfalls am Ankunftsabend, doch dann kehrte Ruhe ein und die Stille griff um sich. Die Teilnehmer wurden angewiesen, schweigend miteinander zu sein. Man begegnete sich im Zendo-Haus, ohne ein Wort zu sagen. Nach einer knappen Woche kannte man sich dennoch in und auswendig. Worte waren also nicht notwendig, um einander zu kennen. Ananda erzählte, das stimme nicht. Sie hatte des öfteren erlebt, jemanden im Schweigen sympathisch gefunden zu haben. Im Anschluss an das Schweigen stellte sich jedoch heraus, dass dieser Mensch doch nicht so angenehm war, wie sie ihn in der Stille wahrgenommen hatte. Umgekehrt galt das auch: Ein eher weniger anziehend wirkender Mensch erwies sich im Gespräch als ausgesprochen angenehm, mithin besagte die Reduktion auf die äußere Erscheinung zwar einiges, aber eben doch nicht alles.


Zazen

Das Ich sitzt
Das Ich sitzt vor der Wand
Das Ich schaut sie an
Mit geschlossenen Augen schaut das Ich sie an
Sie ist leer
weit
unendlich
undurchdringlich
Sein Denken wirft sie zurück wie ein Echo.
Das Echo wird leiser,

langsamer werden die Gedanken
verebben im Nichts der Wand.
Formlos, ohne Inhalt ist ihre
Dunkelheit ohne Licht,
ihre Stille ohne Leben,
das sein Leben ausfüllt.


Tagebuch-Eintrag: Beten

Beten, in der Weise, wie man sich üblicher Weise mit vorgefertigten Worten an Gott wendet, ist in meinem Fall eher weniger angebracht. Ich glaube nicht, dass ihn formelhaft daher gesprochene Worte erfreuen, schon der Name langweilt ihn, … ihn?, … also dieses Etwas, dieses wunderbar schöne und zugleich furchtbar erschreckende Etwas, das die Welt durchdringt, durchströmt, umfängt mit seiner Allgegenwart, in die Es mich mit meinem Körper, meinem Leib und meinem Ich brachte. Es ist mein Bewusstsein, um nicht zu sagen Selbst-Bewusstsein, in diesen Umständen, dass das Leid der Not der Einsamkeit bewirkt. Tatsächlich bin ich nicht allein. Ich bin mit anderen Menschen in diesem Haus, die wie ich für sich sind, ohne sich weiter aufeinander zu beziehen. Daraus resultiert das Gefühl meiner Unverbundenheit, die zurückgeworfen auf mich selbst als ein nicht genügender und immer wieder fehlerhafter, unzulänglicher Mensch, Mensch, so schwer zu ertragen ist.

Ich versuche die gestrige Not zu beschreiben. Sie ist inzwischen vergangen. Geblieben ist die Erinnerung an eine perspektivlose Hoffnungslosigkeit aus der heraus ich mich an dieses Etwas zu wenden suchte. Ich hatte die Vorstellung, es handele sich um mein höheres Selbst, das all-verbunden Rettung, Hilfe, Erlösung bringen könnte. Als ich am Morgen versuchte, dies Erleben in Worte zu fassen, stellte sich mir nur ahnungsvoll und schemenhaft dar, dass diese Umstände in denen ich mich wähnte, nichts anderes seien als Vorstellungen und Ideen von der Wirklichkeit. Insofern bin ich der Schöpfer der Welt in der ich zu sein meine und die mir Leid verursacht. Welch andere Vorstellung und folgend Einstellung zu der Situation in der ich bin, kann ich entwickeln, damit sie mir nicht so leidvoll ist?, fragte ich mich und sah das als Anfang eines neuen Verhältnisses zu den jetzigen Lebensumständen.


Tagebuch-Eintrag: Der Hochkönig und der Kuhkopf

Am Morgen dann ein zweiter Traum, der mich aufwachen ließ. Wie in einem schlechten Blockbuster Movie im Mittelalter oder in einer Geschichte aus der Bhagavad Gita. Ich war ein Junge von vielleicht zwölf Jahren und hatte gerade gelernt, mit dem Bogen zu schießen als vor dem Hof Reiter auftauchten mit gezückten Schwertern und Bögen. Auf einem edlen, weißen Ross sah ich hoch oben den König mit Krone und gehüllt in einen weißen Umhang sitzen. Sie griffen an. Ich hatte den Bogen in der Hand, doch dann getraute ich mich nicht zu schießen, denn ich war noch zu unsicher mit dem Treffen und wenn, dann hätte jeder Schuss sitzen müssen. Wie ich so unschlüssig schaute, was passierte, hatte sich einer der Männer genähert und, ohne dass ich es genauer gesehen hätte, schleuderte er den mit einem Schwerstreich abgetrennten Kopf einer Kuh, schwarz-weiß gescheckt, aus dem Halsrumpf blutend, vor meine Füße … ich wachte auf und fragte mich, ob sie nun wohl angriffen und auch mich töten würden, gleichzeitig überlegte ich, dass ich gar nicht kämpfen und töten wollte, wie ich also Frieden machen könnte.

Der Stein

Der Wechsel von Tagen mit Sesshins, so hießen die klösterlichen Zazen-Seminare, und den Tagen an denen das Zendo und das Sangha-Haus leer waren, erwies sich für Michael Welten als frappant. Wie ein Tsunami fluteten die aus der Stadt kommenden Teilnehmer die vorhergehende Stille seines Geistes, dabei kamen die Leute, um eben in diese Stille einzutauchen. Das war ein Widerspruch: Gemeinsam hinein gehen in die schweigende Stille bedeutete immer noch, wenn auch aufs äußerste beschränkt, mit anderen zusammen zu sein. Heraus kam ein gemeinsam Alleinsein, ein Zurück geworfen Werden auf sich selbst bei dem die Anwesenheit der anderen sowohl Trost als auch Störung war, je nach dem wie die Sonne des Gemüts vom blauen Himmel schien, wenn sie denn schien und nicht durch Nebelbänke verdeckt nichts als herbstlich tristes Grau übrig ließ.


Welch Unterschied es machte, allein im kargen Zendo bei Eiseskälte, gekleidet wie ein Astronaut im Wärme gepolsterten Raumanzug, zu sitzen oder aber in einem von Menschen überfüllten Raum, in dessen Mitte hin zum Eingang ein hoher Tisch, gezimmert aus massiven Holzbohlen mit einem Stein darauf stand, das wurde Welten erst deutlich als er eingetaucht in seine meditative Trance bemerkte, dass die Bilder und Gedanken, die in ihm hoch kamen und vorüber gingen, sich unweigerlich mit der neuen, Menschen angefüllten Situation beschäftigten. Er sah sich in seinen Fantasien in der gefühlten Enge einer Höhle deren Konkretisierung von Luftschutzbunker während eines Raketenangriffs bis hin zu Maria und Josef im Stall samt Vieh und anderen Reisenden, die vor den Unbill des Wetters Zuflucht in einer Scheune oder in einer von einem Feuer erhellten und gewärmten Felshöhle fanden.

Die Sitzanordnung im Dojo verlief geometrisch geradlinig, um nicht zu sagen rechteckig um den Stein auf dem Altar. Wenn normaler Weise eine Buddha oder eine Jesus Figur auf dem Altar stand, machte diese rechteckige Anordnung deutlich, dass der Raum des Zendo genauso abstrakt stilisiert war wie die darin ausgeübten Rituale. Die Situation der ursprünglich um Buddha herum sitzenden Leute, die dem Erhabenen, dem weisen Alten zu Füssen saßen und zuhörten und mit ihm meditierten, wurde in eine leblose Form gegossen, die sich durch die Jahrhunderte genauso wie an entfernteste Orte transportieren ließ. Der lebendige Buddha oder Jesus wurde auf diese Weise nicht mehr gebraucht. Es blieb die Hülle ohne Inhalt und das meinte einerseits das rituelle Tun als auch andererseits die räumliche Ausgestaltung.

Nach Abschluss von zwei fünfundzwanzig minütigen Sitzmeditationen, abgewandt vom Innenraum nach außen, folgte ein seit undenklichen Zeiten wiederholtes Ritual: Die Zen-Meisterin und mit ihr alle geweihten Zen-Priester breiteten vor dem Stein-Altar ihr Tüchlein aus, um sich vor dem Stein dreimal niederzuwerfen, was sich angesichts des wirklichen Tuns, nämlich dreimal auf die Knie hinunter zu gehen und mit ausgestreckten Händen die Stirn auf den Boden zu bringen übertrieben als Niederwerfung und zwar vor Buddha bezeichnet wurde. Nur da saß weder Buddha, noch stand dort eine Buddha Statue. Als Welten die ersten Male in diesen Dojo kam und realisierte, da stand keine Buddha Statue oder ein gekreuzigter Jesus, musste er unwillkürlich lachen. Welch Streich hatte der Mitbegründer dieses heiligen Ortes, David Steindl-Rast, diesen Götzenanbetern gespielt?


Nicht Buddha und nicht Jesus, Neti-Neti, sondern ein Steinli, rundgeschliffen aus einem Bach, stand dort und blieb dort stehen. Ja, es war ein Steinli, daran gab es keinen Zweifel. Aber, wofür stand dieser Stein? Für Steindl-Rast, den Stifter dieses Bergklosters, der sich bärenstark ein Denkmal setzte? So konnte ja nur Welten denken. In einer seiner einsamen Meditationen im eiskalten Dojo, die ihm eine leise Ahnung gaben, vom Leben eines Einsiedlers in den Bergen, kam ihm der Gedanke, wenn es nicht sogar eine Engelsstimme war, die ihm säuselte:


Halt dich fest an diesem Stein,

denn er zieht dich hinab

zum Urgrund allen Seins


Tagebuch-Eintrag: Der Götzenanbeter in mir

Der Götzenanbeter in mir ist mein Götzen verehrender Drang, haben zu wollen, was das ICH gut und schön findet, so dass es Stärke und Kraft, Selbstbestätigung und Selbstbewusstsein aus seinem Besitz und dem selbst erschaffenen, gesammelten, erkauften Ambiente zieht. Wenn die christlich diffamierten Götter des Olymps erlauben, personifizierend eine Beziehung zu ihnen als Urfamilie aufzubauen, einer Urfamilie, die nichts anderes ist als die Götterfamilie, dann dadurch, dass sie quasi ein idealisierendes Rollenvorbild für den Lebensalltag liefern. Freilich kann das Ich nur im Idealfall göttlich sein, also vollkommen, unfehlbar, rein, wahr, gut und schön. Derart aber bleiben sie äußerlich und bezogen auf die dualistische Welt des materiellen Seins. Erst im Erleben geistiger Transzendenz des meditativen Seins löst sich dieser Dualismus auf und weicht einer Verschmelzung mit dem Göttlichen, das als Sein des sich ausweitenden Bewusstseins von Zeit und Raum eines „Ich bin Du bist Es“ vor erst unbestimmt bleibt und nachfolgend konkreter werdend Gestalt annimmt.

Tagebuch-Eintrag: Wenn die Wände Ohren haben

Wenn die Wände Ohren haben, dann tönt der Geist im selben Raum entsteht durch seine Höhe ihre Tiefe und die weite Breite durchmisst das Weiß am Horizont ist ein Segel treibt das Schiff zur Abendstunde in seinen Hafen.


Im Keller lagen im Regal Cashewnüsse. Heimlich nahm ich davon, stopfte sie einmal, zweimal in meine Hosentasche, am nächsten Tag war der Beutel mit Nüssen fort. Im Kühlschrank sah ich Oliven, mir lief das Wasser im Mund zusammen, diesmal beherrschte ich mich, beim Abendessen standen die Oliven auf dem Tisch. Unschlüssig, ob ich mir einen Kaffee kochen sollte, hörte ich auf ihn, der mir riet - oder war es ein Befehl? – es zu lassen. Ich ging hinaus aus der Küche. Als ich nach einer Weile wiederkam, brachten sie eine ungebrauchte Kanne Kaffee zurück aus dem Vorraum der Weisheit neuester Schluss ist ein Stein steht auf dem Altar, ein anderer Stein steht draußen für Kobun Roshi und David sah ich vor Jahren sprach er von Gott ist das grenzenlose Selbst des Alleinen das verstand ich nicht als Neti-Neti, als Weder das Noch das war schön und rot ihr Mund zog mich an wie die Erde den Apfel aß Ich biss hinein ins saftig süße Fleisch und tue es wieder dieses Verlangen ist keine Sünde, sondern die Pflicht der Natur ist Wildheit gezähmt, dann nützt sie dem Pflüger einen Scheffel Weizen aus dem Sack.


Die Regenwalddürre

Welten fragte sich in seinen Meditationen, was sind die dringendsten Probleme auf der Welt? Neti-Neti - es war nicht der aktuelle Palästina-Krieg oder der Krieg in der Ukraine, es war ihm die Dürre im Amazonas Regenwald. Er hatte Bilder gesehen, ihnen aber keine weitere Beachtung geschenkt. Wieso nicht? Was fehlte, damit dies Thema ihm zum dringlichsten wurde? Es hatte keine Resonanz in ihm erzeugt, es tauchte weder in den Gesprächen auf, noch wurde es in den Medien weiter thematisiert. Erst in den Meditationen tauchte die Regenwalddürre wieder auf. Er googelte und fand erschreckende und zugleich erschreckend wenige Meldungen. Der NZZ ging es vor allem um das verdorbene Weihnachtsgeschäft aufgrund der Unterbrechung von Lieferketten wegen der ausgetrockneten Flussläufe. Den Seiten des World Wild Fund hingegen entnahm er, das die Süßwasser-Delfine des Amazonas verendeten und zwar wegen Überhitzung. In Flüssen und Seen wurden bis zu 41 Grad Celsius gemessen. Das waren unvorstellbare Wassertemperaturen. Die Hitze in den Äquator nahen Ländern wurde Mensch und Tier zunehmend unerträglich.


Die Verursacher des globalen Treibhausklimas waren aber nicht die Waldbrände oder El Niño oder die Flugzeuge, es waren die Menschen, die vielen Menschen, die leben wollten und vor allem gut leben wollten, um nicht zu sagen, noch besser leben wollten. Es allein auf die Bevölkerungsexplosion zu schieben, griffe zu kurz. Hinzu kam der technologisch bedingte Raubbau an den globalen Ressourcen durch die oberen Bevölkerungsschichten, die das ökologische Gleichgewicht des Planeten Erde aus den Fugen kippte. Welten wurde klar, wollte die Menschheit auf dem Planeten überleben, dann brauchte es eine Art kontrollierte Katastrophe, eine Krankheit, Corona II, die vor allem in der fliegenden Oberschicht grassierte und die Weltbevölkerung mindestens um die Hälfte reduzierte. Michael Welten erschrak an der Radikalität dieses Gedankens, denn der Holocaust war nichts dagegen, jedenfalls in Zahlen.


Excelsior, der Engel sprach Latein

Er ging schlafen. Es war spät geworden, ungewöhnlich spät angesichts dessen, dass es um 5 Uhr in der Frühe Aufstehen hieß. Kaum lag Welten im Bett, wälzte er sich hin und her. Er war hell wach. Die Apokalypse ließ ihm keine Ruhe. Zudem fingen seine Waden wieder an unerklärliche Ströme fließen zu lassen, restless legs. Irgendwann war er dann doch zumindest in einen Halbschlaf gefallen. Halb eingerollt lag er auf der Seite, hinter sich die Wand, vor sich die Zimmertür. Plötzlich hörte er eine Stimme. Es war eine schöne Stimme, erhaben. Sie kam von hinter ihm und er wusste, sie kam aus einem Sphärenraum des Überbewußten. Sie klang männlich, mächtig und sprach eigentlich nicht zu ihm, eher über ihn oder so, als wenn sie etwas zu ihm sagte, wohl wissend, Welten würde seine Worte nicht verstehen. Der Schrecken lähmte Micha. Er war machtlos, hilflos, ohnmächtig. Weder wagte er es, sich zu rühren, noch einen Laut von sich zu geben und er wusste ja, wenn er sich umdrehte, so würde er dort nichts sehen. Die Furcht war grenzenlos in ihm. Ausgeliefert dem Übermächtigen hinter ihm, malte er sich eine hoch gewachsene Gestalt aus, der er auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Die Furcht in ihm war die vor dem Tod. Er wollte leben, ohne Frage, doch irgend wie war er voller Vertrauen, dass der Tod eine Erlösung war und kein Schrecken. Es war also kein Aufgeben, sondern ein Hingegeben Sein dem, was da kommen mochte, an dem er nichts ändern konnte, weil es nicht von ihm abhing, sondern von der Gnade dieser Erscheinung.

Im Nachgang warf er sich Feigheit vor. Er hätte doch ein Wort sagen können. Er hätte … um Rat fragen können, was angesichts der globalen Ökokatastrophe zu tun sei, was er tun könnte, doch etwas hielt ihn zurück, so als ob diese Erscheinung weniger jene war, die er um Hilfe und Unterstützung bitten könnte.

Vielleicht war es ein Freund jenes Mönchs, der ihm vor langen, langen Jahren sein Knie in die Eier rammte, weil er keine Lust hatte, diesem Mönchsbruder zu gefallen zu sein. Wieder sah er sich dort in dessen Zimmer auf dem Boden liegen, Schmerz verzehrt, wobei er die ganze Verachtung dieses Mönchs angesichts seiner hilflosen Ohnmacht über sich spürte. … Wieso diese Verachtung, die sich da über ihn auskippte?


Der Iglo-Effekt

Ganz im Gegensatz zur Überhitzung des Amazonas schneite es bei ihnen hoch droben in den Bergen. Große Schneeflocken hatten die beiden Häuser mit einer dicken, weißen Decke eingehüllt, so dass das Zendo zum Innenraum eines Iglu in der Arktis wurde. Vielleicht war das der Grund dafür, dass es, kaum hatte Welten die Regenwalddürre gegoogelt, im Zendo warm und wärmer wurde. Plötzlich herrschten saunaartige Zustände. Die Luft wurde trocken, die Teilnehmer begannen in der Stille zu husten und konnten das Schwitzen und Sich Bewegen nicht lassen. Würden sie nun auch wie die Flussdelfine in der Hitze sterben? In solch einer Hitze zu sitzen und zu meditieren, machte einmal mehr deutlich, was auf der Welt vor sich ging. Das Treibhausklima war im Zendo angekommen.

Die Leute saßen auf ihrer Matte, alles lief ab, als wäre es weder heiß und unerträglich wie in der Sauna noch als würde die sonst einkehrende Stille durch Rascheln, Sich Kratzen und das Sich Schweißperlen Abwischen und Husten gestört. Aber niemand machte etwas, niemand wagte es, der immer unerträglicher werdende Hitze den Weg nach außen zu öffnen. Man nahm die große Hitze hin als wäre sie durch die festgesetzten Meditationsregeln unumstößlich. Einige mochten meinen, man habe sowohl Schmerzen vom langen Sitzen als auch Mücken, Geräusche und andere Störungen hinzunehmen, weil Siddhartha Gautama hatte auch den Versuchungen unter dem Bodhibaum widerstanden und Erleuchtung erlangt hatte. Es gab genügend Berichte von eremitischen Yogis, die Kälte, Durst und Hunger in der Meditation überwanden. Wieso dann nicht diese Hitze, unter der die halbe Menschheit litt?

Welten meinte jedoch, handeln zu müssen, meinte Lösungen finden zu müssen, anstatt alles seinen Gang der Dinge gehen zu lassen. Als auch in der Pause des Kin-hin, der Geh-Meditation, nichts geschah, ergriff er die Initiative. Er machte die Fenster auf, woraufhin Ananda die Tür nach draußen öffnete und jemand anderer die gegenüberliegende Fensterreihe. Schließlich waren sie nicht in einem hermetisch geschlossenen System. Sie konnten die Hitze nach außen ableiten.



Die UN Climate Change Conference


Als Welten mir am Telefon von den saunaartigen Hitzezuständen im Zendo erzählte und dass er gerade am Tag zuvor die Regenwalddürre im Amazonas gegoogelt habe, meinte ich: Das ist aber ein Zufall oder wusstest du, dass dieser Tage in Dubai die UN Climate Change Conference, COP28, stattfindet? Er wusste es nicht, sagte er, zudem habe er nichts mitbekommen die letzten Wochen. Die Leute da oben konnten auch nicht wissen, dass die World Meteorological Organization den Anstieg der globalen Erderwärmung um 1,4 Grad Celsius feststellte und Copernicus das Jahr 2023 zum wärmsten Jahr seit Aufzeichnungsbeginn erklärte.

Dass sich die Hitze im Zendo staute, läge wohl an der dicken Schneeschicht auf dem Dach, eine Art Iglo-Effekt, meinte Welten, aber dass ich tags zuvor die Regenwalddürre gegoogelt habe und die Flussdelfine, die an einem Hitzschlag verendeten, dass ist mir unerklärlich.

Nun, das ist ein Synchronizitätsereignis nach C.G. Jung erläuterte ich. Innere und äußere Ereignisse treffen wie zufällige Zufälle zusammen, wobei die inneren Ereignisse eher eine unerklärlich bleibende Reflexion der äußeren Ereignisse darstellen. Manche sprechen sogar von Resonanz-Phänomenen subjektiver und objektiver Natur.

Du meinst also, ich hätte nur etwas unbewusst wahrgenommen, was eh in der Luft lag, dann gegoogelt, woraufhin sich die Resonanzwellen effektiv zur Saunahitze im Zendo verdichteten?, fragte Welten.

Nein, das ist zu kausal gedacht. Eher handelt es sich um eine Gleichzeitigkeit einander entsprechender Ereignisse, so als würde ein und dasselbe auf unterschiedlichen Ebenen einmal subjektiv und woanders objektiv zum Ausdruck kommen.

Ich bin also kein Zauberer und habe das nicht bewirkt? … zwar unabsichtlich, aber eben doch durch mich?

Nein, du hast nur wahrgenommen, was eh schon in der Luft lag. Das ist wieder deine subjektive Betroffenheit. Es ist eher so wie ein Räucherstäbchen, das nicht in die Flamme gehalten wird, sondern darüber. Es entflammt, wie von magischer Hand. Weil wir die Flamme darunter sehen, ist es klar, woher das Feuer kommt. Wenn aber die Kerzenflamme unter dem Räucherstäbchen nicht zu sehen ist, scheint es unerklärlich, dass sich das Räucherstäbchen plötzlich entflammt. Die Quelle, die Ursache, sowohl für das plötzlich brennende Räucherstäbchen, deine Internet-Recherche zur Amazonas-Dürre, als auch die plötzliche Hitze im Zendo, die eine ganz andere Verursachungskette hat, genauso wie die UN Climate Change Conference, sind Ausdruck ein und derselben Quelle, nur in unterschiedlichen Formen, soll heißen: Das Alleine des Lebens, um nicht zu sagen Gottes Gegenwart, manifestiert sich in der dualistischen Welt auf den unterschiedlichen Ebenen der Erscheinungsformen.

Damit beendeten wir das Gespräch.


ISO

Das Sesshin ist zu Ende. Die Leute gingen. Leere.

Das Zendo ist jetzt hier eine Form verdichteter Leere.

Draußen Schneetreiben, innen Wärme.

Ein Stein steht auf dem Holzaltar.

Weder Buddha noch Jesus,

sondern ein Stein ist der Witz gipfelt im Mond der Nacht,

denn bei Tag ist er die Sonne zum Quadrat,

weil die Masse will es so so so

Ih so?

ISO - International Standards Organisation?

Isolation?

Selektion

Spezialisierung,

denn die ISO

trennt das Innen vom Außen

effektiv durch die Leere des Vakuums

ergibt sich die Nützlichkeit des Nichts

Das Lied vom Nichts



Der Kabelbrandt

Welten hatte mehrmals erzählt, bei der Abreise würde sein Wagen, ein zum Camper umgebauter Bus wahrscheinlich eine Starthilfe brauchen. Der Wagen stand seit Wochen, ohne gefahren zu sein, unten auf dem Parkplatz. Seit Tagen waren die Temperaturen auf den Gefrierpunkt gefallen. Der übliche Regen kam als Schnee herunter und er konnte froh sein, wenn das Auto nicht zugeschneit war. Mithin lag eine gewisse Spannung auf seiner Abreise, eben darauf, ob das alles so einfach klappen würde und ob der Wagen starten würde.

Am Morgen der Abreise lautete der Tagesspruch : Alles würde schließlich gut ausgehen. Wenn zwischenzeitlich die kleinen Teufelchen zu Tage kämen und Verwirrung schafften, dann würde alles letztendlich gut ausgehen und zu seinem Vorteil ausschlagen. Auch beim Frühstück meldeten sich Vorstellungen, die auf Komplikationen hinwiesen. Doch das waren Rekonstruktionen, Überlegungen, die Michael Welten im Nachhinein anstellte.

Als er mit Steve am Wagen ankam, ließ er die Zündung fünfmal vorglühen ehe er den Schlüssel ganz umdrehte und den alten Diesel zündete. Trotz Eiseskälte war genug Saft auf den Batterien. Sie drehten den Motor und zogen das dickflüssige Öl in den Vergaser, aber natürlich zündete das Gemisch nicht. Es war zwecklos. Der Motor brauchte eine Stromüberbrückung. Steves Wagen war ein leicht läufiger Benziner. Beim ersten Schlüsselumdrehen zündete die Maschine. Kein Problem. Er fuhr neben die Fahrertür des alten Diesels. Die Batterien waren unterm Fahrersitz. Welten holte das Überbrückungskabel, schob den Fahrersitz nach vorne. Wie oft hatte er das schon gemacht? Jeder Handgriff saß. Das rote Kabel an den Pluspol, das schwarze Kabel an den Minuspol. Sie öffneten die Motorhaube des Benziners. Die Batterie fand sich sofort. Welten schloss das rote Kabel an, dann das schwarze. Steve zündete den Wagen. Es funkte und zischte. Das ist das Eis, meinte Welten. Die Klemmen waren in den Schnee gefallen. Micha hatte sie frei geklopft, aber sie waren feucht und Eiskristalle blieben haften. Dann fing die Verkabelung der Klemmen an zu brennen. Vorsichtig versuchte er sie zu lösen. Nach einigem Hin und Her klappte es. Die Handschuhe waren verbrannt, Löcher darin. Der Schock saß ihm in den Knochen. Steve schaute mürrisch. Er zückte das Handy, suchte unter dem Begriff Starterhilfe und fand sofort eine Anleitung, wie es zu machen sei. Welten stand betröppelt da als Steve vorlas. Wie ein Schuljunge, der einen Verweis wegen schlechten Betragens erhielt, dabei war Steve 30 Jahre jünger als Welten. Wie hatte das passieren können? Er hatte das sooft gemacht. Ausgerechnet heute hatte er die Kabel falsch angeschlossen. Minus war doch das schwarze Kabel und das rote Kabel kam auf den Pluspol, da wo das rote Kabel rauskam. Irgendwie hatte er es anders gesehen. Er verstand das nicht. Aber er war Schuld. Er hatte das gemacht und nun stand er wie ein dummer Junge vor dem Superhirn, der ihn zu Recht für unfähig, unzuverlässig und schusselig hielt. Welten schämte sich für sich selbst. Den ganzen Morgen ging ihm dieses Versagen nach, drückte ihn kleinlaut in den Fahrersitz. Sein Selbstbewusstsein war zerschlagen. Er mochte sich noch so sehr sagen, dass der Tagesspruch das Unheil vorausgesagt hatte. Sollte er etwa genau diesen Fehler machen? Stand schon im Vornherein fest, was geschehen würde, so als wäre es im Schicksalsbuch festgeschrieben. Und wenn dem so war, ließ sich daran nichts ändern, selbst wenn man vorher eine Ahnung vom kommenden Unglück hatte?

Jetzt, Tage später, schaute ich mit Welten noch einmal auf das Geschehen. Ich fragte ihn, was war genau geschehen? Die Kabel brannten, es funkte und zischte, weil es einen Kurzschluss gab, weil Plus direkt mit Minus verbunden wurde, weil der Strom, weil die Energie nicht in den Eingang, sondern in den Ausgang hineinfloss, weil die zwei Gewalten gegeneinander anstürmten und folglich die Funken flogen und die Hitzewellen die Klemmen zum Glühen brachten, so dass das Kabel, die Isolierschicht, zu brennen anfing. Glücklicher Weise nahmen die Batterien keinen Schaden. Das Funkensprühen und Zischen war der offenkundige Ausdruck dessen, was menschliches Versagen bewirkte, wenn fehlerhaft die Ströme gegeneinander verbunden wurden, wenn die Gewalten der Energieflüsse aufeinander stießen. Es war ein eindrucksvoller Effekt, einer, den weder Micha, noch Steve so schnell vergessen würden, wobei Steve als der überlegene Held und Micha als der unzuverlässige, dumme und schusselige Versager hervor ging. Sollte das so sein? Oder war diese Demonstration der Macht physikalischer Kräfte beabsichtigt, um zu zeigen, wie reine Energie aussieht? In der formlosen Leere, die sie meditierten, war doch etwas, nämlich Energie, die sichtbar wurde beim Aufeinanderprallen der beiden elektrischen Kraftströme. War der Fehler beabsichtigt? Hatte etwas in Welten genau diese Demonstration physikalischer Gesetzmäßigkeiten bewirken wollen, wobei dieses Etwas von dem Ich Weltens verschieden war, weil das kleine Ich von Michael Welten bei weitem überstiegen wurde von diesem allumfassenden Geist, der sich auf diese Weise verwirklichen konnte. Welten durfte absichtlich so etwas nicht tun. Aber dieses Etwas in ihm, dieses größere, um nicht zu sagen grenzenlose Selbst, stand über allen Tabus, Schicklichkeiten und Verboten. Es zeigte für einen kurzen Moment sein wahres Wesen, in etwa so wie Krishna sich dem Arjuna zeigte bis der ihn bat, seine wahre, göttliche Gestalt, seine universelle Form, wieder vor ihm zu verbergen, weil sie unerträglich und vernichtend für ihn, den so fehlerhaften Menschen war.








1. Screening, 28. Januar, 18h

im Vamos

Arthur-Hoffmann-Str. 58 (Hinterhaus)

04107 Leipzig Leipzig

Bring bitte zum gemeinsamen Essen und Trinken etwas mit
Eine Spende ist erbeten an das WWF & das Vamos














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