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Total Therapy - Tryout

Leipzig, Baumwollspinnerei, 4. April 2019, DG
Dieses "Tryout" - Ausprobieren - stand für "Generalprobe". Eine junge Theatertruppe aus Berlin, die Interrobang, erhielten vom Schauspielhaus Leipzig die Gelegenheit als Artist in Residence in der Baumwollspinnerei ihre Performance zu machen. Die Residenz ist bekannt für experimentelles, junges Theater. Ich erinnere die Performance-Group Henrique Iglesias, die mit ihrem Stück "I can be your hero, baby", im Juni 2014 Furore machte. Mein damaliges Interview verursachte einige interne Radio-Diskussionen. Meine Sprache sei sexistisch, frauenfeindlich. Beleidigt zog ich mich zurück. Als älteres Semester hatte ich anscheinend herzuhalten für die Übergriffigkeit anderer. Dass am Grunde des Generationenkonflikts die Sexualität und das Inzesttabu lauern, wurde mir erst hinter her klar.

Auch diesmal ging es gleich zu Anfang heiß her. Der zuständige Pressesprecher des Schauspielhauses wußte nichts von meiner Video-Interview Anfrage. Sofort verbat er sich Film-Aufnahmen von der Probe. Derart gereizt, nahm ich an der Performance teil. Trug das dazu bei, dass ich fast unwillkürlich zum boshaft dominanten Typ wurde?
Interview

Video-Interview mit Till Müller-Klug von Interrobang, 5. April 2019, ca. 6 Min.

Jedenfalls erhielt ich aufgrund der Rückmeldungen meiner MitspielerInnen die gelben und roten Karten. Ich sagte mir, das ist ja alles nur Theater, ein kurzes Aufeinandertreffen von Menschen, die sich nicht weiter kennen und, wie es Georg Simmel in seiner Soziologie schon darlegte, deshalb sich alles sagen und freizügiger miteinander Umgehen können. Die Anonymität und Unverbindlichkeit der Beziehungen garantiert sozusagen die Folgenlosigkeit des eigenen Verhaltens gegenüber den anderen Mitspielern. Entweder erfolgt jetzt und sofort oder nimmernie eine Sanktionierung. Im Verlauf der Performance bestand diese in der Zuschreibung und Herausbildung eines Selbstbildes, das die anderen vom Spielpartner entwickelten. Insofern fiel mir sehr wohl mein gelber, boshafter Neid auf, angesichts eines gut aussehenden, die Blicke und das Begehren der Frauen weckenden Mitspielers. Nicht dass ich über diesem Spiel der Geschlechter gestanden hätte, eher Abseits und wohl darum etwas traurig.
Derartiges wurde freilich nicht diskutiert, genauso wenig wie man beim Activity- oder Tabu-Spiel über sich jenseits von Konkurrenz ins Reden kommt. Mithin, dieses Performance-Theater ähnelte einem Speed-Dating. Es bot die Chance auf die Schnelle in Kontakt zu kommen. Vielleicht gab es ja später, irgendwann, zumal in der Unübersichtlichkeit der Großstadt, den Zufall, der sich als Schicksal zeigte und zu einem crossing roads führte, so dass Anknüpfungsmöglichkeiten gegeben waren.



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