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work in progress

Das Frauengericht

Theaterstück in 3. Akten


von Dirk Glomptner


begonnen im Frühling 2022


Vorspiel

Ratschluss der Männer

Der Raum der Wünsche


Personen


Frauenstimme aus dem Off





Maya Tisch (jünger) als

Maya Spiderman in roter Toga, Redakteurin, kinderlos, Partnerin von Micha, Sängerin, spürt die Macht Friedrichs


Micha Welten (jünger)
Journalist, Sohn des Welten online Gründers Günter Welten


Sabrina Moserbacher (älter) als Lakshmi in smaragd-grünem Sari,

Redakteurin, Partnerin von Gerd und dessen Sohn Philipp


Gerd Brandt (älter)

Journalist Foto & Film kennt Friedrich von früher


Angela Sonnenreiter (noch älter) als Mahadevi Inca in gold-gelber Toga,

Redakteurin, Mutter von zwei jungen Frauen im Alter von Philipp, Partnerin von Friedrich


Friedrich Turner (noch älter)

der Chefredakteur von Welten online, Maya gefällt ihm




Günter Welten (Vater von Micha, lediglich in der Imagination der Gruppe vorhanden)



Vorspiel


Gerd sitzt auf einem ausgedienten Küchenstuhl auf der leeren Bühne.

Gerd ins Publikum eine Papierseite schwenkend: Hört euch das an! Ich bekam solch eine Email, eine Absage, Ausladung, Ausgrenzung. Wie gemein! Das ist unfair! Ihr schließt mich aus!

Friedrich im Dunklen aus dem Hintergrund: Ich schrieb ihm, weil … die Frauen … sie fanden ihn aufdringlich … deswegen lud ich ihn nicht zu meinem Kindergeburtstag ein … und deswegen schrieb er mir, wieso ich ihn nicht zu meinem Kindergeburtstag eingeladen hätte, wie die Jahre zuvor. Da hatte ich ihn nämlich eingeladen. Jetzt aber reichte es mir. Soll heißen, dieser Wessi ist mir nicht unsympathisch, wirklich nicht, aber er ist so westlich arrogant … nun ja … so von oben herab mit seiner überheblichen Denke ... eben nicht einer von uns … ja, deshalb war ich froh ihn von meiner Liste zu streichen, das war mein Anteil, zu dem stehe ich ... deswegen … weil ich darüber froh war, dass sich die Frauen über ihn beschwerten und nicht über mich, weil … nun ja, es hatte auch mich gereizt, aber ich hielt mich bei meinen Kindergeburtstagen zurück … wirklich … ich meine, früher, ganz früher, so mit siebzehn hat man noch Träume, hielt ich mich nicht so zurück, wie heute, weil, da war noch ein ganz anderes Feuer in mir … aber darum geht es hier … jetzt ja gar nicht, sondern darum, dass ich ihn endlich mit triftigem Grund ausschließen konnte, um nicht zu sagen …. brandmarken konnte ich ihn als einen von mir und meinen Leuten geächteten ... denn ... was jetzt kommt ist Frauensache.

Ich schrieb ihm also folgende Email:

Frauenstimme aus dem Off:

Hallo, lieber Gerd, es gab mindestens zwei Beschwerden, weshalb ich Dich aus meinem Ih-mail Verteiler „Kindergeburtstag“ genommen habe. Du hast immer ein großes Nähebedürfnis - für manche Frauen ist das zu viel. Liebe Grüße Friedrich

Micha´s Stimme aus dem Dunklen: So schlimm hört sich das doch gar nicht an, Gerd. Dass du ein großes Nähebedürfnis hast und dass das manchen Frauen zu viel ist, dass ist doch nun mal so, oder?

Gerd zur Stimme im Dunklen gewandt: Ja, das ist so, nur dass das dazu führt, ausgeschlossen zu werden, quasi geächtet zu sein als ein Missetäter und obendrein wird mir nichts gesagt - das kränkt mich. Das ist gemein! Dass man nicht mit mir redet, das ist gemein.

Micha: Was ist denn überhaupt passiert? …. Offensichtlich geht es doch um zwei Sachen: Einmal um die Beschwerden von Frauen, denen du zu nahe gekommen bist und die sich deshalb über dich beschwerten und zum anderen geht es darum, wie Friedrich mit diesen Beschwerden umgegangen ist.

Gerd: Ich kann mir vorstellen, die Frauen wollten bei Friedrich nicht nur ihren Frust loswerden, sondern sie suchten Unterstützung und Hilfe bei Friedrich … das ist schließlich eine Möglichkeit, etwas auszusprechen, was sie sonst so nicht können, jedenfalls bei ihm nicht, weil er so unnahbar ist, unser Friedrich. Und ganz klar, sie wollten auf keinen Fall mit mir reden müssen, weil ich sie in eine Situation gebrachte, in der ich sie offensichtlich zu Frauen machte, die ganz leichtfertig mal eben so, wie du, Micha, das machst und kannst: in Kontakt gehen, umarmen, berühren. Das macht man doch nicht mit jedem. Oder?, Wer ist man denn dann?, wenn man das mit jedem macht? Irgend ein Flittchen?, dass womöglich dafür auch noch Geld bekommt? (ärgerlich) Und wer bin ich dann? Irgendwer, der ihr nicht klar machen konnte, dass ich nicht irgendwer bin, sondern ich?! Verstehst du? Das foppt mich, das foppt mich zu tiefst und kränkt mich und dann diese Anschuldigung, die dahinter steht, ich sei übergriffig, distanzlos, respektlos. …. Wie muss ich denn als Mann sein, um ihr klar zu machen, dass ich Bock auf sie habe? ... und wenn sie keinen Bock auf mich hat, dann eben nicht.

Micha: Vorsicht! Zu erst einmal … Gerd … du bist nicht mehr der Jüngste

Gerd: Das wäre Nummer eins: Die Frau, die ich beim letzten Kindergeburtstag anmachte … keine 35 und pränatal … du weißt, was ich meine, noch im Stadium der Überlegung, ob sie es mit ihrem Freund macht oder sich doch lieber auf einen anderen oder auf einen noch anderen konzentriert, um dann ein Kind zu haben, Mutter zu sein und ihn, den Vater des Kindes oder auch nicht, denn sie weiß, dass sich die Männer nach ihr die … Finger lecken, die Augen ausschauen, umdrehen und genau das wollen mit ihr, was sie mit ihm will. … Das war mir doch klar, dass ich alter Bock so einer nicht für sie sein könnte, sondern allenfalls ein geiler Hengst für die Nacht ...

Micha tritt aus dem Dunklen, einen ähnlichen Stuhl in der Hand und setzt sich halb Gerd, halb dem Publikum zugewandt auf die Bühne und geht Gerd dazwischen:

Micha: Und zweitens, Gerd, ich sagte vorhin: Vorsicht! Deine Rede ist kritisch und der Tonfall gegenüber Frauen könnte leicht, sehr leicht als Herabwürdigung verstanden werden.

Wenn du durch dein Verhalten diese Frauen, die zu Friedrichs Kinder-Geburtstag gehen, zu Flittchen, Huren, Dirnen, Nutten, machst, dann ist das deftig …. das grenzt aus, sowohl die Frauen, wie dann dich selbst. Weil solche Frauen machen etwas, was man aus moralischen Gründen nicht macht … und ablehnt ... weil, ich spreche mal von mir, weil Liebe, Gefühl, Erotik, also romantisch Sein und herzlich verbunden Sein, ja, sich nah und warm und wohlig sein, kurz mit anderen verbunden Sein, weil das nicht käuflich ist und nicht käuflich sein sollte ... was aber nicht heißt, dass man Räume und Events gestalten und Events anleiten kann, in denen das möglich ist und was deshalb Arbeit ist und eine Mühe, die eine entsprechende Spende, einen materiellen Gegenwert, warum nicht ein Geschenk von Herzen in Geldform, je nach Vermögen und Größe des Geldbeutels, nicht wahr, erwarten lässt?

Gerd: Ah ja, du Tantrist, ohne Frage, nur, das war keine Tantra-Session, sondern ein Kindergeburtstag und es ging nirgend wann und irgendwo um Geld, sondern darum, was ist möglich? ... Was ist in solch abgefahrenen Momenten eines echten Kindergeburtstages möglich?



Licht von weg von Gerd und Micha. Aus dem dunklen Hintergrund sprechen Angela, Maya und Sabrina. Sie kommen langsam nach vorn ins Halbrund des Zuschauerkreises.

Angela: Habt ihr das gehört?! Er war auf einem Kindergeburtstag ... und das mit zweiundfünfzig Jahren .... auf einem Kindergeburtstag!.....

Maya: BESTIMMT IST ES ...? ... ein ganz besonderer Kindergeburtstag gewesen, ein Kindergeburtstag, wie ihn zweiundfünfzig jährige Männer und Frauen feiern.

Sabrina: Feiern? Du meinst sie haben gefeiert, so richtig Kindergeburtstag gefeiert? Aber ohne Eltern, nicht wahr, weil mit den Älteren kann man nicht feiern.

Angela: Nein, kann man nicht, deswegen bleiben sie ganz unbeteiligt dabei ...

Maya: ... und kümmern sich nicht, wenn jemand wo hin geht ...

die dumme Sabrina: Wo hin?

Angela: ... na da hin! ... 

die dumme Sabrina: ... ach dahin ...

Maya : Da sehen sie es nicht. Die Eltern sehen nicht, was dahinten passiert. Die Eltern sagen sich nämlich: Das ist deren Sache

Angela: Später war es zu spät, sagte die Oma an dieser Stelle.

die dumme Sabrina: Ach so ... ich verstehe ... ach so ...

Angela: Genau, es war einmal auf einem Kindergeburtstag ...

Maya: ... und alle hatten sich lieb, nur Gerd hatte sich nicht lieb ...

Sabrina, die Schlaue:
... und deswegen hatte ihn niemand lieb ...

Maya:
... und deswegen sollte ich ihn trösten

Angela:
... aber du mochtest ihn nicht trösten

Sabrina:
... und ich auch nicht

Angela:
.... Niemand wollte unseren kleinen, lieben Gerd trösten

Maya:
... weshalb er ganz alleine war, ungetröstet und ungehalten .... und weshalb er sich vor mich hinpflanzte als ob er es sei, auf den ich gewartet hätte, ausgerechnet auf ihn, diese Kröte, dieses Froschgesicht ...

Angela: ... ach, du warst auch bei diesem "Kindergeburtstag"? ... ich auch

Sabrina:
.... ich ging früher weg .... noch bevor sie sich alle zusammen legten zu einem Kuschelkreis der Geburtstagskinder ... zu dem es diesmal nicht kam, weil das Froschgesicht so penetrant was wollte, deswegen ... deswegen ging ich früher ....

Maya:  Er hat dich also auch angemacht. Wie wehrt sich Frau gegen solch einen Typen?

Angela: .... gegen einen Macho, der mich in eine Situation bringt, in der ich offensichtlich zu einer Frau werde, die ganz leichtfertig mal eben so, wie hast du das gesagt, Gerd? ... in Kontakt geht? ... umarmt?, ... berührt? .... Das macht man doch nicht mit jedem. Oder?

Maya: Du hast sie mit deinen Avancen im Grunde bloß gestellt, Gerd. Kannst du die Situation erinnern?

Sabrina: Ja, sag´ wie kam es dazu. Als deine Partnerin möchte ich wissen, mit was für einem Typen bin ich eigentlich zusammen?

Angela: Ich glaub´ das ist ein grundsätzliches Thema zwischen Frauen und Männern. Letztens diese #MeToo Debatte, Frauen haben ein ganz berechtigtes Interesse am Arbeitsplatz und sonst wo in Ruhe gelassen zu werden. Es geht einfach nicht, dass Männer ihren Testosteron-Überschuss an uns Frauen ablassen. Kaum fange ich an darüber zu reden, schon kocht es in mir hoch.

Maya: Ja, ich habe auch ganz schreckliche Geschichten vor Augen.

Sabrina: Wer kennt von uns nicht diese übergriffigen Typen, unsensibel, rüpelhaft, ohne wirklich in Beziehung zu gehen?!

Maya: Da sagst du was! Manchmal will ich zwar eine nette Gesellschaft, aber keine Beziehung und wenn das einer nicht merkt, dann ist das übergriffig.

Friedrich: Halt! Stopp mal! Bevor wir ins Detail gehen, wir haben hier einen solchen Typen. Gerd ist angeklagt mit seinem Testosteron-Überschuss und auch mit seinem Überschuss am weiblichen Oestrogen insbesondere Frauen zu belästigen, zu überrumpeln, zu bedrängen, um nicht zu sagen rücksichtslos zu übermannen. Ich würde ihn gerne vor eurem hohen Frauengericht verteidigen.

Micha: Ich mache den zweiten Pflichtverteidiger.

Sabrina: OK, wie ihr wollt … wir tagen. Das hohe Frauengericht tritt zusammen. Angela, ich schlage dich als Oberrichterin vor und Maya und ich, wir machen die Beisitzer, wie in einer Landgerichtskammer. Oder aber, du machst die Staatsanwältin, Maya, und ich die repräsentative Frau, die Anklägerin.

(Die Frauen bilden mehr und mehr einen Kreis und tuscheln unter sich)

Maya: Coole Idee! Wir spielen Gerichtsszenen, wie im Fernsehen.

Angela: Verfrachten wir das Ganze doch in die Antike. Das hohe Frauengericht in der Antike. Ich ziehe mich um und komme in einer gold-gelben Satin-Toga.

Sabrina: Yep! OK, ich bin Lakshmi in einem grünen Seiden-Sari.

Maya: … dann ist meine Toga rot und ich bin sie bin ich bin du bist es ist … sie ...

Angela : … weil sie es ist bleibt mir Mahadevi Inca ist meine Rolle spiele ich in diesem leuchtend gold gelben Gewand … und mit meinen roten Lippen und den Smaragd-Ohrclips sehe ich umwerfend … (an die anderen gewandt) …. sehe ich nicht verführerisch aus? … außerdem, ich komme aus Südamerika und habe die Nase der letzten Inca …

(fängt an zu singen)

Maya: Oh Inca, oh schöne, wunderbare, einzigst wahre Inca unser … oh Inca du ….(die anderen Frauen, auch welche im Publikum, stimmen ein) ... Oh Inca, oh schöne, wunderbare, einzigst wahre Inca unser … oh Inca du ….Oh Inca, oh schöne, wunderbare, einzigst wahre Inca unser … oh Inca du ….Oh Inca, oh schöne, wunderbare, einzigst wahre Inca unser … oh Inca du ….

Maya: … dann ist meine Toga rot und ich bin sie bin ich bin du bist es ist … sie ...

Sabrina: Wir werden sie vorführen. (an die Männer gewandt) Männer, wie kommt ihr zu unserer Verhandlung?

Gerd, Micha, Friedrich durcheinander: Ja, also, nun ja, ich meine, genau, richtig, OK, Yeah, bis gleich, bis gleich.


Abdunklung



Ratschluss der Männer : Maya und Siddharta

Die Männer unter sich, drei Skulpturen, versteinerte Figuren, stehend, die jeweils von Micha, Gerd und Friedrich belegt sind, Einzel-Beleuchtung auf den jeweiligen Sprecher, die anderen im Schatten. Wenn alle drei gleichzeitig beleuchtet werden, erscheinen oben die drei Göttinnen, Mahadevi Inca und hören den Männern zu.




Gerd: Was für eine Geschichte, wenn ich über diese Episode in der Erleuchtungsgeschichte des Buddha nachdenke ...

(an Friedrich gewandt) Was soll schon dabei herauskommen, wenn ich über Maya nachdenke?

Friedrich: Wer sagt denn, dass es sich um schöne oder gute Geschichten und Träume handelt? ...

Micha: ... denn wer sagt, dass er es machte, dass er es ihnen wirklich antat ? ...

Gerd:oder ob es nichts anderes sind als Fantasien, Tagträume sind Schäume verwehen im Wind …

Friedrich:denn er erzählt nur …

Micha: … denn die Wahrheit ist etwas ganz, ganz, ganz, ganz anderes.

Gerd: … so so ganz?

Micha: der Herr unterschied die beiden durch einen Namen und gab dem einen das Schwert teilte sie entzwei …

Friedrich … und zwar da ….

Gerd: …. Pfui!!

Micha: … und da … und da auch ...

Gerd: … und ein Knabe entsprang der einen ...

Micha verduzt schnell nachschiebend:) …. ähm … ihr gab der Herr den Namen.

Friedrich: …. das ist unsere Geschichte der ganzen Angelegenheit. Bei genauer Betrachtung können wir deinen Fall, Micha, ad acta legen wegen Nichtigkeit im Strafrecht, wegen Geringfügigkeit, wegen Alltäglichkeit, wegen Gewöhnlichkeit der Missverständnisse zwischen Mann und Frau.

Micha: Mir ist ja klar, dass meine Anmache nichts anderes ist als mein Kontaktwunsch, ich meine eigentlich meinen Berührungswunsch, mein Streichel und Gestreichelt Werden Wunsch, mein ...

Gerd: Ich mache das anders, ja, andersherum. … Ich warte solange bis sie meinem ungeäußertem Drängen nachgibt. Sie merkt es an meinem Blick, scheu und schamhaft verlegen, ich kann ihnen ja nichts verbergen zum Beispiel, wenn ich ihre Beine anschaue...

Micha: Ich frage mich dann immer, wie schaue ich jetzt? Als was schaue ich? Als neugieriger, auf Haut erpichter Mann? …. So schaue ich dann.



Mahadevi Inca in Neid gelben Kostüm von oben Mitte:

Mahadevi Inca: Neid gelb mein Kostüm und die Liebe kommt ins Spiel mit meinen roten Lippen ....

Friedrich ohne hochzuschauen ins Publikum, Mahadevi Inca setzt seine Worte um.

Friedrich: Sie bemalt sich mit ihren einskommafünf Meter Lippenstift in fünf Jahren, schaut dazu in einen Stielhandspiegel, legt den Spiegel zufrieden beiseite und sagt : Ich bin die schönste im Land.

Mahadevi Inca: Ich bin die Schönste im Land.

Lakshmi in smaragd-grünem Sari von oben rechts ist links von ihr.

Lakshmi: … ich bin die Schönste in der Stadt …

Maya Spiderman: … ich bin die schönste im Palast

(Sie wiederholen mehrmals durcheinander bis sie anfangen zu singen)

Mahadevi Inca: … ich bin die Schönste im Land.

Maya: … ich bin die schönste im Palast.

Lakshmi: … ich bin die Schönste in der Stadt …

Zusammen: Ich bin, ich bin, ich bin.



Friedrich: Sie sind es. Sie sind es wirklich. Sie sind unsere Richterinnen, unser Quell des Lebens, unsere Gesellschaft.... also darum, Gerd, wie sieht es mit dir aus? Was hast du verbrochen? Was hast du ihnen angetan? Was ist deine Sünde?

Gerd: Meine Sünde? … Nun ja, wenn ich ihre Beine anschaue, fange ich an, ihnen nachzulaufen, das überträgt sich quasi ganz unbewusst auf mich. Ich laufe ihnen hinterher und kann meinen Blick, meinen höher gleitenden Blich nicht abwenden.

(Im Hintergrund eine Video-Sequenz, in der die Kamera eine junge, blonde Frau verfolgt?)

Micha: Du bist also ein Stalker!? Ein waschechter Stalker. Wow! Du bist mutig in diesen Zeiten … in diesen Zeiten, in denen sie uns den freien Blick verbieten wollen. Ich finde sie übergriffif, einfach übergriffig.

Gerd: Sie wollen alles wissen, entscheiden, darstellen, bewundert werden, auf Händen getragen und gebraucht werden und geliebt und obendrein alles sein für einen ... nach dem Motto: …. Wo ich bin kann nichts anderes sein, ruft sie von oben rein.

Lakshmi in smaragd-grünem Sari von oben: Wo ich bin kann nichts anderes sein.

Friedrich: Das hört sich gut an, weiter so!

Gerd: Das ist ihr Monopol-Anspruch genauso wie ihr Monotheismus und ihr Monogamie Gebot …

Micha: Dem können wir nur entkommen, wenn wir uns zusammen tun in unserer Männerrunde à trois. Sie ist die einzige kalte Quelle aus der Frische und Kraft entspringen.

Gerd: Unmöglich! Wir drei? Unmöglich! Das geh nicht.

Friedrich: Super! Ich mache mit. Wir machen die Männergruppe àtrois auf.

Gerd: Ich sehe schon, das reicht von Pfadigruppe bis Werksportgruppe und von Kirchenjugendgruppe bis FDJ-Singkreis – nur reduziert auf Drei.

Micha: Genau … und da besprechen wir alles. In der Àtrois besprechen wir alles ...

Gerd: … yep, so sei es und deswegen gucke ich ihr nach ... ihre schlanken langen prallen vollen Beine bringen uns hin.

Friedrich: Ja, so machen das die Frauen: Sie lenken unsere Bahnen, Wege, Ziele... zum Glück bringen sie uns hin.

Gerd: Oh, wie poetisch schmeichelhaft, wenn du schmiedest Verse in der Nacht mag sie dir gefallen, doch bei Tage, wenn sie in der Schürze die Kartoffeln schält am Tisch und singt:

denn sie ist meine Welt, meine einzige Welt, meine Welt, oh meine Welt ist weder nur gut noch schlecht, sondern das reine Mittelmaß, oh Mittelmaß der Mitte.

Micha und Friedrich fangen an seine Worte in Fragmenten nachzusingen:

Gerd, Micha und Friedrich jeder für sich und wieder gemeinsam: Oh meine Welt, meine Welt

weder gut noch schlecht

weder nur weder nur weder nur

jeder für sich, jeder für sich, jeder für sich

Wo ich bin

kann nichts anderes sein

das reine Mittelmaß

das reine Mittelmaß

das reine Mittelmaß

oh Mittelmass

oh Mittelmass

oh Mittelmass der Mitte

Mitte

Mitte

Bitte

bitte

Friedrich: OK, das reicht für das Erste

Gerd: Und für das Zweite auch.

Micha: Und was ist mit dem Dritten? Mit dem Dritten, was ist mit dem?

Friedrich: Das Dritte wird kompensiert, substituiert, dekonstruiert, analysiert, analysiert stinkt es nach Windeln und dehybriert nach dem Parfüm, dem olor d´anjou.

Gerd: Gut, sehr gut, wir gehen bis dann vor die Tür.

Friedrich: Vor welche Tür? Gerd, Du Stalker, wo hast du uns hingebracht? Vor welche Tür hast du uns gebracht?

Gerd: Steht doch dran. (Auf dem Vorhang hinten erscheint in rosa Leuchtschrif)

Micha liest vor: Der Raum der Wünsche

Friedrich: Da wollte ich schon immer hin.

Gerd: Jetzt bist du da.

Micha: Darf ich der erste sein, mich zieht es so hinein.

Gerd: Lass dich gehen, gib dich einfach hin.

(Wie angezogen zieht es Micha durch den Vorhang)

Friedrich: Auch mich zieht es mit unwiderstehlicher Kraft, doch wie kann ich diesem Raum vertrauen, wo ich nicht weiß, was für Wünsche aus dem Dunkel dieser Nacht ins rote Licht der Liebe schauen?

Gerd: Du Poet der Liebe, schau hinauf und labe dich an dem, was dir hier schon vor der Tür erscheint, doch nichts anderes ist als Vorschein, als Imagination und Trugbild der Wahrheit allen Seins.

Friedrich: Bäh! Das gefällt mir. Bäh! ist wahr, bähbäh zieht mich, zieht mich hinein.

Friedrich zieht es durch den Vorhang

Gerd: Und so gehe auch ich als König war ich euer.

Gerd zieht es durch den Vorhang



Der Raum der Wünsche








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