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von Dirk Glomptner
begonnen Ende Februar 2022
1. Akt
2. Akt
3. Akt
Stimme aus dem Off |
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Maya Tisch Redakteurin, jung, kinderlos, Partnerin von Micha |
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Micha Welten |
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Sabrina Moserbacher Redakteurin, mittleres Alter Partnerin von Gerd |
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Gerd Brandt Journalist Foto & Film kennt Günter von früher |
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Angela Sonnenreiter Redakteurin, Mutter von zwei älteren Kindern, Partnerin von Günter |
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Günter Turner der Chefredakteur von Welten online |
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Zeichnungen :
Musik:
Al Gromer Khan & Klaus Wiese - The Alchemy of Happiness
A. Karamanov (1934-2007) Symphony No. 23 'I am Jesus' / 'Risen from the ashes' (1980)
Alpha Theta
Delta Meditation For POWERFUL (QUANTUM
REJUVENATION)
Theta Realms Binaural Beats Formula
Emphox
5 Rythm (30 min Short
Wave)
World
Beats 112bpm
Hörspiel-Fassung (1. ProbeLesung vom 5. März 2022)
Ein leere Bühne,
Bühnenarbeiter tragen einen Tisch und Stühle herein und
gehen hinaus, ein junger Mann fährt einen Beistelltisch mit
Getränken etc. herein, geht wieder raus, Stimmen nähern
sich im Hintergrund, Sabrina und Angela reden angeregt über die
neuesten Entwicklungen:
Angela: Stell dir vor, die haben mich im Bahnhofscafé nicht mehr bedient, mein Covid Zertifikat sei nicht mehr gültig. Für Genese gelte es nur drei Monate, meinte die Serviererin, so eine junge Frau. Überall in Europa gelten die Zertifikate 6 Monate, nur bei uns nicht. Und, woher weiß die, dass mein Zertifikat abgelaufen sei – drauf steht es nicht Ich sage dir, das sind die ersten Vorzeichen des digatelen Überwachungsstaats.
Sabrina: Ach lass, das sind die Jungen, die jetzt ihre Technik und Macht ausprobieren, um uns Älteren sagen können, was wir zu tun haben, verstehst du, das ist der neue Generationenkonflikt. Der wird jetzt militärisch diszipliniert ausgetragen.
Angela: Es ist einfach unverschämt! Was bilden die sich ein? Kaum haben sie eine Anordnung erhalten, müssen sie die auf´s I-Pünktlein umsetzen. Als wären sie darauf versessen, mit Ordnung und Disziplin die Welt zu verändern.
Sabrina: Ja, ganz wie die Computerprogramme. Funktionieren macht Spaß, insbesondere, wenn man den Eltern damit eins auswischen kann.
Angela: Ach Quatsch! Du hast ja keine Kinder. Die machen zwar ihr Ding, aber seit sie durch die Pubertät sind, lieben wir uns wieder, natürlich auf Abstand, so kommen wir uns nicht in die Quere .....
Neue Stimmen aus dem Hintergrund kommend, Günter, Gerd und Maya.
Günter: Yeah, Union Berlin gewann verdient im Viertelfinale und ist weiter und die Hamburger sind raus.
Gerd: Ach, die haben Glück gehabt, all die vergebenen Chancen, Pässe ins Leere und ihre Stürmer haben sie nicht genutzt, die fliegen raus.
Günter: Aber, es wäre doch was, wenn dieser waschechte Mitgliederverein den Pokal gewinnt.
Gerd: Du meinst, das einzig wahre Endspiel wäre so ein Kapital Club wie Leipzig gegen den Volksverein Union Berlin? Warum nicht? Das ist eine coole Story.
Sabrina: Ob nun Fußball oder Schach, immer wird einer fertig gemacht. Das sind Männerspiele mit Helden und Siegern und mit Verlierern und Versagern.
Maya: Ganz zu schweigen von den Verletzten, den Opfern. Ich höre lieber Rachmaninov. Das Konzert in der Frauenkirche war wunderbar und die First Lady als Dame Blanche einfach herrlich anzusehen – oh, wie sie sich an Franky anschmiegte, so als wollte sie mit ihm sogleich hinüber tanzen.
Gerd: Du meinst, hinüber ins Paradies? Komisch, dass mir dazu nur einfällt, das Paradies ist auch eine Art Totenreich.
Günter: Dazu kommen wir später. Jetzt erst einmal das Brain storming. Wo ist Micha?
Sabrina: Wahrscheinlich am Nachrichtenticker, wegen der neuesten Infos aus Kiew.
Micha kommt hastig rein und nimmt Platz
Abdunklung … ein kleiner Junge läuft mit einer Taschenlampe über die Bühne, beleuchtet suchend dies und das und strahlt in Gesichter im Publikum.
Günter: OK, dann können wir ja loslegen. Es geht um folgendes: Ihr habt die Bilder noch vor Augen: Der Tyrann sitzt an seinem Schreibtisch, vor ihm zwei gestandene Generäle, die sich vor Angst halb in die Hosen machen oder dieses andere Kremel-Video: die Kriegserklärung im Audienzsaal des Zaren: T-Rex auf dem Thron und am Rand des Saales aufgereiht seine Vasallen-Mannschaft, verängstigt und gezwungen, Angst, Schrecken und Verzweiflung, von Menschlichkeit, Liebe und Wahrheit keine Spur. Die Frage ist, wer steht hinter T-Rex? Was macht seine Macht aus? Allein gegen den ganzen Rest? - Wahrlich eine Meisterleistung. Aus der Gruppe meldete sich als Primus inter paris sein alter Freund und Mitstreiter aus alten KGB-Zeiten, aber auch er irgendwie verunsichert. Also, wer steht hinter dem Machthaber. Ich sage es euch: Ich! Ich bin genau solch ein Chef. Also, ihr tut jetzt alle, was ich sage oder …. !
Sabrina: … oder du drückst den Roten Knopf.
Günter: Den Roten Knopf? Dreh dich um! Stell dich an die Wand, Hände hoch an die Wand gelehnt.
Micha: Was soll sie machen?
Gerd: Hose runter
Günter: Hose runter! Los! Mach schon!
Alle durcheinander:
Hey, was soll denn das?! Nee, Mensch, dazu habe ich keinen Bock! Lasst das! Ich gehe nach Hause! Wo sind wir denn hier?! Hilfe! Vergewaltiger! Tyrann! Wer sind wir denn?!
Günter alle
übertönend: Genau! Wer sind wir denn? Wer sind wir denn?
Micha: Oder zu wem lassen wir uns von denen machen?
Sabrina: Ihr meint, kämpfen sei die einzige Möglichkeit? Nein, ich mache nicht mit. Ich schieße auf niemanden und ich vergifte niemanden. Meinetwegen soll er den Donbass haben und die Russen und die Ukras ziehen jeweils in ihre Gebiete.
Gerd: Und der Tyrann? Er zieht in seine Altersresidenz. Also abtreten muss er schon. Aber wie?
Angela: Ja, das ist die Frage: Wie bekommt man den Alten raus aus seinem Amt, wenn er freiwillig nicht gehen mag? Sabrina, dann bleibt doch nur Gewalt, Heimtücke, Intrige, Hinterlist. Ich weiß nicht weiter.
Gerd: Nicht nur du, ich weiß mir auch keinen Rat.
Micha: Noch einmal von vorne: Fest steht, der Alte muss gehen. Er hat überzogen, das Volk will ihn nicht mehr, es will seinen Traum von einem Großreich in Mittelerde nicht mehr, sondern es will in Frieden, in Kooperation mit den anderen wachsen, blühen, gedeihen und er macht ihnen so die Zukunft kaputt.
Angela: Ja, wenn er so weiter macht, dann geht alles kaputt oder meint ihr, das wird sich nur auf die Ukraine beschränken. Nein, bald geht es auch in Russland, in Moskau und in Sant Petersburg los.
Sabrina: Hm, meinst du? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ukrainer von den Putin-Gegnern unterstützt werden. Die machen gegen keine Sabotage Aktionen gegen ihre eigenen Leute.
Günter: Das sind Spezialfragen, entscheidend ist, dass der Tyrann alleine steht. Alle haben vor ihm Schiss, übrigens wir auch oder was meint ihr was passiert, wenn solch ein Atomkraftwerk hoch geht?
Micha: Insgeheim gibt es in seiner Partei Widerstand, nur niemand traut sich, niemand darf sich aus der Deckung, hinter seiner Maske hervorwagen oder wie wäre es, wenn hier bei uns einer die Pistole zieht und Günter, unseren Tyrannen, unseren Brötchengeber abknallt? Wir würden ihn doch fertig machen, weil : Wir wären unseren Job los.
Angela: Oh Micha, du bist langweilig mit deinem Hitler-Putsch, mit deinem Staufenberg, der in der Wolfsschanze die Knarre hätte ziehen sollen anstatt den Aktenkoffer dazulassen und abzuhauen.
Sabrina: Wie auch immer, einer von seinen Leuten wird Nachfolger. Ich glaube nicht an Nawalny und eine Revolution der Leute. 1917 wiederholt sich nicht und auch Gorbatshow und Jelzin nicht.
Maya: Es geht doch gar nicht darum, was wir glauben, sondern darum, was möglich ist, was sein könnte. Also, was könnte ganz realistisch sein?
Abdunklung …
…. der kleine Junge läuft mit seiner Taschenlampe über die Bühne, beleuchtet suchend dies und das, strahlt in Gesichter im Publikum, schließlich beleuchtet er den schwarzen Vorhang des Rückprospekts, Videobilder von TantraRäumen erscheinen, Sphärenklänge – Al Gromer Khan & Klaus Wiese - The Alchemy of Happiness
….
Im rötlichen Dunkel wird das Interieur eines TantraSalons sichtbar:
Fünf sternförmig gelegte Massagelager, darauf TantraTücher, Lunghis, Massageflaschen in Wärmeschälchen, Handtücher, Straußenfedern, Massagehandschuhe, ein hinduistischer Shiva-Shakti Altar mit Figuren und Kultgegenständen, Mandalatücher
Der Junge leuchtet auf das Retroperspektiv auf dem Günters Gesicht übergroß als Videobild erscheint
Günter: Super, dass ihr alle gekommen seid. Nach unserer letzten Redaktionssitzung hatte ich das Gefühl, unserer Welten online Mannschaft täte eine besondere Maßnahme zur Teambildung gut. Der TantraMeister hat mir versichert, niemand müsse sich ausziehen oder irgend etwas tun, was nicht seinem Willen oder seiner Moral entspricht. Geht also in euch und prüft euch selbst, was ihr zulassen könnt und was ihr machen wollt. Die Massage Paare gehen auf ihr Massagelager und besprechen, was sie machen wollen und wer anfängt. Jeder hat eine halbe Stunde, danach Rollenwechsel, anschließend haben wir Zeit zum Ausklingen Lassen und für ein köstliches Tantra-Mahl. Ich wünsche euch eine göttliche Seligkeit, Erholung, Entspannung und Lebensfreude. Om shanti, shanti Om
Abdunklung, im rötlichen Licht sieht man die Leute herein kommen, auf den Massagelagern Platz nehmen, mit der Massage beginnen, nach einer Weile klingelt ein Glöckchen. Günters Gesicht auf der Leinwand
Günter: Die zweite Hälfte ist um, das Massageritual ist damit beendet. Der Gebende Mensch löst sich energetisch vom Empfangenden ab, die energetische Verbindung löst sich auf. Der Empfangende hat Zeit für sich und zum Nachspüren. Danach kann Kuscheln, Ausklingenlassen und Austauschen dran sein. Während dessen wird das TantraMahl hereingebracht.
Zwei TantraHelferInnnen bringen Tabletts mit Getränken und Köstlichkeiten und stellen sie in die Mitte der Massagelager, langsam setzen sich die Teilnehmer auf
Sabrina: Und was hattest du für den TantraAltar mitgebracht, Gerd?
Gerd: Einen Kristall aus Poona. Ich kaufte ihn damals in einer Boutique nahe des Osho-Ashrams. Das waren noch Zeiten! Da bekam ich zum ersten Mal solch eine Tantra-Massage und nicht nur das, es war eine völlig andere Welt, in der ich unglaubliches über meine Sexualität lernte und darüber, wie man zusammen sein kann in einer Beziehung. Ich war ja so verklemmt, so verkopft, so lebensfern intellektualisiert. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob sich daran irgend etwas geändert hat, nicht wahr Angela?
Angela: Stimmt, eigentlich hat sich daran nichts geändert. Du bist immer noch solch ein sturer Bock, total schwanzgesteuert, sage ich euch, eben ganz Mann.
Günter: Nur, dass das jetzt langsam weniger wird und immer mehr zu einem Kopfkino mutiert ohne wirkliches Leben.
Sabrina: Sei beruhigt, damit bist du nicht alleine.
Gerd: Musst du alles ausplaudern, was bei uns, was bei mir abgeht? Ich meine, bei uns Männern verhält sich das mit dem Saft aus der Tiefe des Seins eben wie mit alten Bäumen. Ihr Stamm wird hohl und hohler, ein Innenraum entsteht, in dem es klingt und lacht, was eine ganz andere Qualität hat als die jugendliche Erforschung von Höhlen und die Durchdringung von unterirdischen Gewölben, um das einmal so in Worte zu fassen.
Maya: Ach, was redest du? Als wenn euer Eroberungsdrang weniger geworden wäre. Wir Frauen kennen nur nach all den Jahren euer ganzes Repertoire in und auswendig. Wir fallen deshalb nicht mehr auf eure Schlichen herein.
Micha: Na, na, na, wir entwickeln im Alter eben andere Qualitäten. Ein schönes Bild, Gerd, dieser klingende Innenraum mit dem jedenfalls ich auf eine ganz neue Art und Weise auf Eroberungszüge gehe.
Maya: So so!
Angela: Das ich nicht lache! Wie gern würde ich erobert werden, doch – ihr hört meine Enttäuschung – offensichtlich gibt es nicht mehr viel bei mir zu erobern. Inzwischen habe ich mich damit abgefunden, Out zu sein. Nur manchmal, wenn im Frühling die Sonne lacht, durchströmt es mich und kribbelt mir im Bauch, wenn ich auf der Parkbank sitze und solch ein junger Studi schüchtern eine Bank weiter Platz nimmt, sein Büchlein zückt und Vokabeln lernt.
Günter: You are out of range, das ist alles, wenn dann aber so ein junger Hüpfer wie Maya kommt, sollst mal sehen, was da abgeht.
Maya: Ja, eben nichts geht ab. In den seltensten Fällen passiert etwas. Darum Tantra, man wird gezwungen, zusammen zu kommen, schließlich wird bezahlt dafür. Ich gehe ja auch zum Tanzen, um zu tanzen und nicht, um zu zugucken, wie die anderen hinüber gleiten ins Paradies ... um einmal Gerd´s Bemerkung aufzugreifen, dass das Paradies auch nur eine Art Totenreich ist ... nämlich ein Traumreich der liebenden Seelen … weil der Schlaf, mein Kindlein schlaf, der kleine Bruder ist vom großen Tod, der ... um so älter ich werde ... immer mehr von seinem Schrecken verliert.
Gerd: Wie deine Mutter im Altersheim, nicht wahr? Sie hatte keine Angst mehr vorm Tod und wollte sich deshalb nicht impfen lassen? Und zur Strafe hat man sie deshalb in Insolationshaft auf ihrem Zimmer eingesperrt. Schließlich sollte niemand hören, dass sie gar nicht mehr wollte …. nur deshalb durften wir sie nicht besuchen kommen. Es wäre sonst heraus gekommen, dass die Alten immer weniger Angst vorm Sterben haben.
Angela: Meinst du? Wie auch immer, meine Angst vorm Tod nimmt auf jeden Fall ab im Alter - meine jugendlichen Orgasmusschwierigkeiten sind weg. Ich sage das, weil der Orgasmus ein kleiner Bruder des Todes ist. Ich konnte ja früher einfach nicht loslassen und mich rein steigern in die Glückseligkeit des Seins. Ich wollte es auch nicht, weil meine Partner dann immer gleich gekommen sind und es vorbei war mit dem Liebemachen.
Günter: Und bei mir wurde es dafür immer kürzer mit dem Liebemachen mit dir, die Lust darauf entschwand aus meinem Leben. Eine Zeit lang probierten wir, das heißt ich probierte es mit Viagra, aber als ich dann nur noch eine lustlose Morgenlatte, stundenlang einen empfindungslosen Ständer hatte, war es damit auch vorbei.
Sabrina: So ist das dann also, wenn man älter wird und auch das aufhört. Ich hoffe, ich habe bis dahin noch ein Weilchen. Meine letzte Entdeckung diesbezüglich bestand in einer Rauschnacht. Ich hatte ihn auf einer abgefahrenen Party in Berlin kennen gelernt. Die hatten die ganze sieben Zimmer Wohnung für die Party leer und umgeräumt, eine Combo spielte Salsa und Gerd tanzte mich immer wieder an …
Maya: … ach, daher kennt ihr euch …
Sabrina: … irgendwann standen wir draußen auf dem Balkon und schauten in die Sterne als er eine Zigarette zückte. Mir verging die Lust auf solch einen Typen, der raucht, er aber … was hast du gesagt, Gerd?
Gerd: Nun ja, ich sah, dass sie so eine echte Öko-Tussi ist und meinte: Eigentlich rauche ich nicht, aber das ist eine ganz besondere Zigarette, sie ist aus Kräuterteeblättern mit was drin.
Sabrina: Ich horchte auf. Mit was drin?, fragte ich. Was denn? ... Ach so, dann zündete er diese Joint-Zigarette an. Ihr kennt ja den Duft, der neuerdings von Balkon zu Balkon weht. Schließlich konnte ich nicht widerstehen und zog auch mal …
Gerd: … auch mal? Sie hat die halbe Zigarette aufgeraucht und gefragt, ob ich noch eine hätte. Hatte ich … Als wir dann wieder tanzen gingen, war alles ganz anders. Wie soll ich das beschreiben? Ich schaute in ihre Augen und fiel auf den Urgrund allen Seins. Als wir dann beim Knutschen im langen Flur auf ein leeres Hinterzimmer stießen ….
Sabrina: …. musst du denn das erzählen? Sie denken nachher, ich mache es mit jedem.
Gerd: Wieso? Ich war doch dabei. Also, wir blieben nicht lange allein. So ein Lockenkopf kam mit seiner Freundin herein, guckte erstaunt und meinte, das sei sein Zimmer, aber wir könnten ruhig bleiben, das Bett sei groß genug. Na, auf jeden Fall kam noch ein Pärchen herein und …
Sabrina schnell dazwischen: … und wir hatten ein wunderbares Massageritual ... es war einfach herrlich … göttlich … paradiesisch, um das mal so zu sagen.
Maya: Und seitdem seid ihr zusammen? … Wenn ich das höre, werde ich richtig neidisch. Ich möchte so etwas auch mal wieder erleben, so losgelöst und frei.
Micha: Ja, mit mir, Maya, mit mir könntest du das auch ohne solch Zeug erleben. Also, ich stehe auf dem Standpunkt, dass das ohne Drogen geht und auch ohne solche Tantra-Rituale. Zudem, ist euch bewusst, in was für eine Falle uns Günter gelockt hat? Wir sollen das hier super toll finden, damit wir tun, was er sagt und will, nicht wahr, Günter? Wir sollen dein Team sein und dir die heißen Stories liefern, die Geschichten und Skandale, die jedermann betroffen machen, weil sie das Pünktlein auf dem Ih der gegenwärtigen Entwicklungen sind. Dabei haben wir doch wirklich besseres zu tun als uns mit erotischen Liebesspielchen die Zeit zu vertreiben, während draußen die Welt in Trümmer geht: Beinahe wäre ein Atomkraftwerk in die Luft geflogen, die Flüchtlingsströme fluten Europa und stellen unser Sozialsystem auf den Kopf oder was glaubt ihr, wie lange wir die Ukras durchfüttern können?, um das mal so zu sagen und Corona ist auch noch nicht vorbei, ganz zu schweigen von der Öko-Krise und wer weiß, was der Krieg noch bringt.
Angela: Nun komm mal runter, Micha. Natürlich wird eine Krise schlimmer als die nächste. Ja, mir ist als rückten die Krisen von mal zu mal näher und würden dabei immer intensiver. Wir können nur hoffen, dass wir das diesmal noch gebacken bekommen. Aber, was soll´s, wir leben in eben diesen Zeiten der globalen Risiko-Gesellschaft, übrigens kennt die noch jemand, Die Risiko-Gesellschaft von Ulrich Beck?, kostenlos als pdf downloadbar aus Beck´s Archiv ….
Sabrina: Oh man, diese alten Kamellen will doch keiner mehr lesen, das ist intellektuelle Onanie der achtziger Jahre, akademisches Geschwafel der Geisteswissenschaftler. Ich stehe mehr auf Lyrik. Darf ich euch ein Gedicht vortragen? Es passt zum Zeitgeschehen und zu diesem tantrischen Ambiente, jedenfalls wenn man bedenkt, dass es Anfang der fünfziger Jahre entstand. Corona von Paul Celan:
Sabrina steht auf und rezitiert, Micha nimmt die Gitarre und spielt dazu:
Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt:
wir sind Freunde.
Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehen:
die Zeit kehrt zurück in die Schale.
Im Spiegel ist Sonntag,
im Traum wird geschlafen,
der Mund redet wahr.
Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:
wir sehen uns an,
wir sagen uns Dunkles,
wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,
wir schlafen wie Wein in den Muscheln,
wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.
Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.
Es ist Zeit.
Alle
durcheinander : Hm, Danke, oh, so schön, Super,
herrlich, wunderbar, so einfühlsam, du hast toll gesprochen
Gerd: Wie einfühlsam du gesprochen hast, ja, fast wie Celan, der Sänger. Mir ist als klänge es herüber aus einer ganz anderen Zeit. Das war allerdings eine Zeit in der kaum der eine Tyrann gemeinsam besiegt war, die Bruderhorde schon wieder in den nächsten Krieg schlitterte, in den Kalten Krieg der zwei Systeme. Und der hat bis heute nicht aufgehört, selbst wenn auf Gorbatschow Jelzin folgte und eben nicht der Gouverneur von Sankt Petersburg, weil das wäre Trotzki und nicht Stalin.
Angela: Sorry, ich kann dir nicht folgen mit deinem Historizismus.
Günter: Ich auch nicht oder was soll die KPDSU mit der jetzigen Situation zu tun haben?
Maya: Du meinst die Bolschewiki, die Zarenmörder? Die von Rasputin, das waren andere.
Micha: OK, ich habe genug für heute. Nur so viel, Gerd: Wenn der Kalte Krieg der zwei Systeme mutierte wie die Corona Viren, dann hat sich heutzutage eine neue Form aus diesem Weltystem entwickelt. Erstaunlicher Weise ähnelt sie uralten Vorstellungen. Ich denke da an das Yin und Yang Symbol oder …
Sabrina : … oder das männliche und weibliche Prinzip … nimmst du uns bitte mit, Gerd, wir können uns das Benzin nicht mehr leisten, wo Günter uns so miserabel bezahlt … und weil ... der Ukraine Krieg hat mittlerweile die kühnsten Träume der Grünen verwirklicht. Putin erweist sich als Ökologe. Das Benzin kostet so viel, wie es sich die Ökos in den 90er Jahren wünschten. Und mit der Forderung, es solle in Rubel gezahlt werden, trifft er voll ins Zentrum der höher gestellten Autofahrerklasse. In seinem Weltkrieg „Einer gegen alle“ schlägt Putin finanziell zu und trifft Frau Fra... aus den Spiegeltürmen...
Gerd: … Frau Frau... trifft Putin? …. OK, dann gehen wir jetzt, ehe es noch abgefahrener wird. (steht auf) Danke, Sabrina. Ich fühle mich so gestärkt in meiner Yang Kraft durch dich.
Sabrina: Ja, es war wirklich schön mit dir, Gerd, eine wunderbare Zeit. Du kannst echt gut massieren. Wo hast du das gelernt?
Gerd: Ich war vor drei Jahrzehnten mit Günter im Ashram von Poona im Massagekurs. Wir lernten damals, dass das zweite Chakra durch eine spezielle Lingam und Yoni Massage geöffnet werden kann. Ich sag das in Bezug auf die zwei Globalsysteme von Yin und Yang.
Angela: Ja, Günter, du warst und bist spitzen klasse, wie immer und überall.
Günter: Hm, das klingt aber nicht glücklich mit mir. Deswegen, wir sollten das wiederholen, allerdings in anderen Kombinationen.
Sabrina: So siehst du aus, aber ja, warum nicht. Wann?
Gerd: Ja, wann? Demnächst bin ich auf Tour.
Sabrina: Dann ist er weg und ich hier.
Micha & Maya aus einem Mund: Gut … dann bin ich auch hier
Maya: Gut … dann sind wir auch hier.
Micha: … und machen mit.
Günter: Nun gut, ihr habt es ja so gewollt. Wir treffen uns nächste Woche, Freitag, um dreizehn Uhr im Studi-Raum.
Micha: Im Studi-Raum ? … Nicht hier, im Tantra-Raum?
Günter: Die Teambildung kommt nach der Besprechung.
Sabrina: Erst die Arbeit und dann das Vergnügen – ganz wie in Tokyo: Nach Feierabend geht es los. (der Song Ane Brun - Big in Japan wird leise eingespielt, mit ihm geht der zweite Akt zu Ende)
Maya: Die Teambildung ist mit unserer Pärchenbildung abgeschlossen. Im Studi-Raum, was kann da schon kommen? … da bin ich aber gespannt …
Günter: Darfst du sein.
Abdunklung ….
Chaotisches Musik-Vorspiel, Bühne im Dunkel: z. B. A. Karamanov (1934-2007) Symphony No. 23 'I am Jesus' / 'Risen from the ashes' (1980)
Der Tisch aus dem ersten Akt ist mit einer Stirnseite in den Zuschauerraum gedreht. Am oberen Ende sitzt Micha vor seinem aufgeschlagenen Laptop und schaut hinein, rechts daneben eine Schreibtischlampe mit rotem Knopf. Es ist dunkel. Micha drückt den roten Knopf – (Stroboskop) Licht, Momente später erlischt das Licht, er drückt wieder den roten Knopf der Schreibtischlampe – Licht, die Zeitabstände werden immer kürzer und steigern sich zu einem wilden Licht-Stakkato von hell und dunkel, während dessen kommen Maya, Günter und Angela, Sabrina und Gerd und nehmen am Tisch Platz.
Wenn die Musik ruhiger geworden ist:
Günter: Kannst du mal aufhören mit dieser Stalinorgel!
Micha: Ja, na klar. Kein Problem. Ich probiere die künstliche REM-Phase aus. Stroboskop
Licht kombiniert mit Alpha Theta Delta Waves ergibt einen altägyptischen Pyramiden-Sound. Für unsere heutige Sitzung brauchen wir den. Du hast doch gesagt, ich soll unser Meeting vorbereiten.
Günter: Aber doch nicht so. Wir arbeiten mit Fakten und nicht mit esoterischem Gedöns. Oder willst du jetzt schon anfangen, den Laden deines Vaters zu ruinieren? Das kannst du machen, wenn er dich ran lässt und ich in Rente bin.
Sabrina: Na, das kann ja noch dauern.
Angela: Micha ist also wirklich der Sohn vom Alten? Die Buschtrommel hatte so etwas gefunkt. Super! Das freut mich aber, Herr Welten, dass Sie bei uns mitmachen.
Micha: Ich dachte, über das Sie seien wir seit der Tantra Session hinweg. Aber ganz wie Sie meinen, Frau Sonnenreiter.
Angela: Nur weil wir uns mal nackt gesehen haben, müssen wir nicht per Du sein. Außerdem ändert es alles, wenn Sie der Sohn und Erbe, also der zukünftige Oberboss des Weltkonzerns sind. Glücklicher Weise bin ich in der Gewerkschaft und es gibt Verträge und Mitarbeiter-Rechte. Das, nur um klar zustellen, wir sind hier gleichberechtigte Teammitglieder auf Augenhöhe.
Micha: Super! Dann können wir ja beim Du bleiben, oder?
Angela: Von mir aus. Wie geht es euch anderen mit seiner Sonderrolle? Ich meine, mit seinem Sonderstatus als Sohn vom Oberboss und zukünftiger Erbe und Chef?
Gerd: Cool … was für eine Story!? … Der heimliche Prinz unter seiner Tarnkappe im Schafsfell unter uns Schafen im Stall. Ihr kennt ja die Geschichte vom Löwen, der unter Schafen aufwuchs, genauso blökte wie sie, um dann schließlich doch das Brüllen zu lernen und die armen Schafe zu reißen. Ich hoffe, ich bin dann hier längst weg.
Günter: Nun mal halb lang. Er ist zwar der Sohn vom Boss, aber auch nur ein Mensch mit Fehlern, Vorurteilen, Eitelkeiten, Nachlässigkeiten und vor allem typischen Überheblichkeiten, um nicht zu sagen Rücksichtslosigkeiten. Das mit dem Stroboskop haben sie dir in deiner Schweizer Elite-Uni beigebracht, Micha, oder?
Micha : Meinst du?! Meinst du wirklich?! Als wenn es das ….
(Er fängt an, wie wild auf den roten Knopf zu drücken, Stroboskop Licht hüllt die Szene ein, dazu z. B. Alpha Theta Delta Meditation Musik)
… hier in Kaisersaschern nicht auch gebe!
Maya: Was soll denn das? Hör´auf, ich krieg´ sonst eine Migräne und bin arbeitsunfähig.
Sabrina: Ja, hör auf! Oder willst du uns hier eine Gehirnwäsche verabreichen?
Günter: Schluss jetzt! Hör auf!
(Er steht auf und will Micha gewaltsam von seinem Platz und der Schreibtischlampe zerren als der aufhört. Alle wie erstarrt, Günter steht hinter Micha. Die brain wave Musik wird lauter, nach einer Weile leiser, es kommt wieder Bewegung in die Szene)
Angela: Ja, ihr beiden seid es. Wie sie da stehen, guckt nur. Wer hätte das gedacht? Es fehlt nur noch der Heiligenschein über ihren Köpfen. Der Sohn des Oberboss´ und dessen Stellvertreter auf Erden.
Sabrina: Ja, ich glaub´es nicht. Und wenn die beiden sich richtig lieb haben, dann kann uns nichts mehr geschehen, dann haben wir den Frühling unseres goldenen Zeitalters.
Maya: Genau, printemps d´âge nouveau .
Gerd: Du meinst: L´âge nouveau!?
Maya: So ungefähr.
Sabrina: Dafür ist Günter zu alt und Micha noch zu körperlich, ich meine zu jung.
Angela. Wovon redet ihr eigentlich? Ich verstehe nur Bahnhof.
Gerd: Bahnhof – das passt auch – Bahnhofscafé und ich muss mal … ich bin gleich wieder da … (verschwindet im Dunkel)
Sabrina: OK, was machen wir heute? Was hast du vorbereitet, Micha?
(Günter und Micha lösen sich aus ihrer Erstarrung, Günter geht zurück an seinen Platz)
Micha: Nun ja, eigentlich nichts weiter. Ich meine, angesichts der aktuellen Lage der gegenwärtigen Situation im Hier und Jetzt dachte ich an … (verlegenes Schweigen)
Sabrina: … du hast an sie gedacht, wie sie das wohl …
Maya: … wie? Er hat an mich gedacht? Ich bin doch nur ein Flirt für ihn, a Tantra Night Flirt.
Angela: Ach so, darum geht es. Alles klar. Wenn du und er und sie und der und ich mit ihm, dann beginnt le printemps d´âge nouveau.
Gerd (zurückkommend) : Ich also mit dir und du mit mir und er mit ihr, dann bleiben die beiden übrig. Das geht doch, oder?
Micha: Leute! So geht das nicht. Der Fokus liegt zwar auf der Beziehungsebene, ob nun zwischen mir und Günter oder zwischen mir und Maya oder zwischen dir, Gerd, und Sabrina oder zwischen dir, Angela, und Günter, aber das ist nur eine oberflächliche Betrachtungsweise. Selbst wenn wir damit vom äußeren Geschehen der weltpolitischen Krisen auf die Betrachtung unserer zwischenmenschlichen Beziehungen wechseln, selbst dann ist das noch oberflächlich.
Maya: So so, das, was zwischen uns abläuft, das ist oberflächlich?! Das ich nicht lache! Ich habe dich da ganz anders in Erinnerung, ganz, ganz anders, Michael, nämlich inbrünstig und voll der Liebe, um das mal so zu sagen. Soll heißen, wenn du das jetzt als oberflächlich hinstellst, dann weiß ich nicht, was die wirkliche Wirklichkeit ist von dem allen hier.
Günter: Darum, Maya, geht es nicht. Eure Liebe steht überhaupt nicht zur Debatte, weder die Wirklichkeit eurer Gefühle noch ihre lustvolle Erfüllung in den Wellen eures kosmischen Glücks. Ich frage mich vielmehr, wie das gehen soll mit dieser ganz privatistisch individuellen Ebene in Einklang bringen mit den Globalereignissen, mit dem Krieg im Osten und den transatlantischen Konkurrenzkämpfen, vor allem mit den anstehenden Midterm Elections in den USA .... Ganz abgesehen von den deutschen Landtagswahlen, also dem Wiedererstarken der einen und dem Absacken der andern, um das mal ganz konkret, nicht wahr, also Zeit aktuell zu machen.
Maya: Genau! Absacken! Runtergehen ! Wie beim Boxen!
(fängt an „Go down, Moses“ zu singen, die anderen stimmen ein)
Refrain: Go down, Moses, Way down in Egypts land, Tell old Pharaoh, to let my people go
Maya:
When
Israel was in Egypts land,
let
my people go. Oppressed so hard they could not stand,
let
my people go.
Alle: Go down, Moses, Way down in Egypts land, Tell old Pharaoh, to let my people go
Maya: So
Moses went to Egypt land,
Let
My people go He made old Pharaoh understand,
Let
My people go.
Alle: Go down, Moses, Way down in Egypts land, Tell old Pharaoh, to let my people go
Maya: Thus
spoke the Lord, bold Moses said, Let My people go, If not I'll smite,
your firstborns dead,
Let
My people go
Angela: Ach was! Morgen sieht das schon wieder ganz anders aus. Aus einem Go down wird ein Go up und was gestern noch zählte, ist heute der Schnee von damals.
Sabrina: Da sagst du was: Der Schnee von damals schmilzt in den Gletschern, nackt und bloss die kahlen Berge, insofern sehe ich den Krieg von Wladi ganz positiv: Wir müssen lernen, ohne fossile Brennstoffe, ohne Gas im Winter, also ohne langes Duschen, auszukommen. So, wie Corona, zwingt uns der Krieg massive Veränderungen auf.
Gerd: Nicht nur der Krieg im Osten …. ihr habt die Wahlen in Frankreich vergessen … wenn die Rechten gewinnen, können wir einpacken … dann zwingen uns diese national egoistischen Systeme ihren ordoliberalen Duschwahn auf …
Angela: Ja und? Wir arbeiten doch für Welten. Uns kann nichts passieren.
Günter: Ja, euch kann nichts passieren. Als unseren Mitarbeitern garantieren wir euch Sicherheit und Wohlergehen, dafür bekommen wir eure Inspiration, eure Entdeckerlust, eure Hingabe ans Leben und die Liebe. Das ist doch ein super Deal. Wir tragen die Verantwortung und ihr dürft machen, wozu ihr schon immer Lust hattet.
Micha: Ja, wir tragen die Verantwortung, schöpfen den Surplus ab und gucken, wie weit wir damit kommen. Aus diesen Gründen und wegen der globalpolitischen Entwicklungen, nicht zuletzt wegen des Kriegs im Osten, kam ich auf folgendes …
(Er drückt den roten Knopf, Stroboskop-Licht, Musik Emphox 5 Rythm, auf dem Retroperspektiv erscheint ein Osiris Bild)
Günter:
Nicht jetzt! Lass das! … er kam insbesondere auf meine
Verantwortlichkeit. Ich hätte euch zu wenig gute Ideen
abgeknöpft, Lacher und ernste Stories auf Grundlage derer wir
den Surplus abschöpfen an dem ich beteiligt bin. Er wollte meine
Marge drücken.
(Die Musik fährt runter, das Bild verschwindet)
Gerd: Das geht mir zu schnell. Du bekommst jährliche Boni und Gratifikationen, während wir mit Weihnachtsgeld abgespeist werden?
Günter: Ja, was ist dabei? Wir tragen die Verantwortung und bestimmen, was von eurer Lebenslust, eurer Sicherheit, eurem Wohlergehen und von euren Leidenschaften in Geschäft umgesetzt werden kann und was nicht. …. Jeder will mehr Meer und besser sein als der nächste. Wir helfen dabei. Schließlich leben wir in einer natürlichen Konkurrenzgesellschaft, humanisiert durch Verträge und Mitarbeiterrechte, nicht wahr.
Sabrina: Ja, das ist wahrlich wahr. Man nennt das auch den Wolfsrudel-Kapitalismus im Schafstall, und das Fressen und Gefressen Werden wird durch den Hirten reguliert.
Angela: Merket auf! Reguliert,! Das wird alles reguliert. Es ist also ein regelgeleitetes Weltsystem. Konkret meint das ein durch den Eisprung und nicht durch normierte Arbeitszeiten und das Wochenende bestimmte Abläufe.
Micha: Ja, so ist es, nur dass uns das Eisprung-System nicht der Verantwortung enthebt und die ist und bleibt eine Gewissensfrage, weshalb ich von der Beziehungsfrage im Äußeren zur Beziehungsfrage im Innern komme. Wir sind letztendlich verantwortlich für unser Tun. Ich bin verantwortlich dafür, ob ich hier den roten Knopf drücke oder aber nicht. Davon enthebst du mich mit deinem Eisprung geleiteten Regelsystem in keinster Weise.
Sabrina: Sie vielleicht nicht – aber ich, Micha, weil, schau, du bist auch nur ein Mann, so wie ich eine Frau bin. Und deswegen, Micha, kannst du gar nicht anders als den roten Knopf drücken.
(Sie macht ihn an und fährt sich verführerisch über ihre Kurven)
Micha: Soll ich? Soll ich ihn wirklich drücken? Du weißt, was dann passiert. Du weißt, das Maya zu guckt und Gerd auch. Du weißt, dass es alle sehen, wenn ich den roten Knopf drücke. Die Welt erscheint dann im Blitzlicht der Stalinorgel, sozusagen im Blitzlichtgewitter der Ewigkeit und du hast die Schuld, weil du hast mich provoziert, absichtlich, wissentlich.
Sabrina: Das wollte ich hören. Ich habe Schuld und trage genauso Verantwortung wie Günter, wie Du, wie die anderen. Ich verlange daher meine Beförderung: Boni, Gratifikationen und Gewinnbeteiligung anstatt Weihnachtsgeld.
Angela: Ich für meinen Teil bin über Günter beteiligt. Dass du und Gerd unzufrieden seid, kann ich verstehen. Es wäre mal was neues, wenn du, Sabrina, die Boni bekämest, anstatt Gerd. Diese Männer-Dominanz in Finanz-Sachen hat aufzuhören! Das wäre ein erster Schritt.
Günter: Da gehe ich dazwischen ...
Gerd: Wieso du? Sie hat mich angesprochen, ich sei unzufrieden und jetzt will mich deine Angela glücklich machen, indem Sabrina, meine Partnerin, die Boni bekommt. Wieso nicht dich? Anstatt meiner bekommt sie Sabrina. Das ist vollkommen OK.
Günter: Meinst du? Und wenn ihr euch trennt, dann stehst du da. Mir komt es so vor, als wenn die Frauen zusammenarbeiten wie bei einer Massage, als wenn sich Sabrina und Angela eine Massage geben und wir stehen da.
Maya: Als wenn unsere Finanzprobleme durch Tantra-Massagen gelöst werden könnten. Aber das ist keine schlechte Idee, wenn ihr Männer euch eine Massage gebt und wir Frauen uns eine Vierhand-Massage, dann kommen wir vielleicht zu anderen Ergebnissen.
Micha: Ja, zu ganz anderen Ergebnissen, Erfolgen, Gewinnen, Siegen, Auswärtssiegen und Heimspielsiegen. Maya, ich liebe Heimspielsiege genauso wie Auswärtssiege, Hauptsache es sind Siege.
Sabrina: Womit die beiden ihr offenes Beziehungs-Verhältnis geklärt hätten oder wie hältst du es damit, Maya?
Maya: Das geht dich nichts an und dich auch nicht, Micha, niemanden geht das was an, wie ich es mit euren polyamoren Tendenzen halte. Macht, was ihr wollt und ich mache, was ich will.
Günter: Deinen eigenen Kopf lobe ich mir. Maya, du bist wunderbar. Deine Zusammenarbeit mit Micha hat sich konkret in einer Zunahme deiner Clicks und Werbe-Einnahmen umgesetzt. Insofern stimmt unsere Zusammenarbeit auch, um nicht zu sagen, sie wird besser und besser und ließe sich noch erheblich steigern …
(Micha wird unruhig. Er nähert sich dem roten Knopf)
Günter: … ausweiten … zum Wohle des ganzen Teams ließe sich unsere Zusammenarbeit auf allen Ebenen steigern und noch weiter steigern.
Gerd: Ja, lasst es uns steigern und noch mehr steigern
Micha: Ja, wieso nicht? Wieso nicht?
(Er drückt den roten Knopf, Dunkel, dann im Rythm von Emphox World Beats 112bpm erscheint das Osiris Bild auf der Hinterleinwand, das Stroboskop -Licht im Musik-Rythmus)
Alle
durcheinander : Osiris … Osiris, der Totengott, der
altägyptische König, der Pharao im Reich der Toten, diese
Augen, er hat wunderbare Augen, so tief, so unergründlich, wie
schön er ist, der Herr des Todes, die Schattenseite Gottes)
Sie fangen jeder für sich an zu tanzen und kommen dabei zu Pärchen zusammen: Günter und Maya, Sabrina und Micha, Angela und Gerd.
Flirt, Anmache, enges Tanzen, Gerd, Günter und Micha drängen die Frauen zum Tisch. Maya oben auf dem Tisch tanzend, die andern bewundern sie anhimmelnd und tanzend.
Maya fängt an zu singen:
Ziele sind Siege sind Ziele sind Siege, siege, siege oh siege mein Herr siege, siege, mein Herr, siege, siege
Ziege, Ziege, oh du liebe Ziege, Ziege, siege, siege Bock, Bock, Bock, siege, Ziege, siege Ziege, Bock, Bock, Bock, oh siege mein Herr siege Siege, siege Siege über Siege Meister oh Herr dein Meister oh Herr oh Herr
Die anderen singen mit:
Ziege, Ziege, oh du liebe
Ziege, Ziege, siege, siege Bock, Bock, Bock, siege, Ziege, siege
Ziege, Bock, Bock, Bock
Ziele, siege, Ziele, Siege, siege, ziele,
Ziele, Siege, Bock, Bock, Bock, Ziege, Ziege, Ziege, liebe, Liebe,
oh
mein Herr, die Liebe siege, siege, mein Herr, oh mein Herr siege,
siege, Bock, Bock, Bock, die Ziege, Ziege, liebe, liebe oh siege mein
Herr siege Siege, siege Siege über Siege Meister oh Herr dein
Meister oh Herr oh Herr.
Licht und Musik fahren runter. Die Schauspieler setzen sich Corona Masken auf, setzen sich am Tisch an ihre Plätze: links von Micha Günter, von Günter links: Sabrina & Gerd, rechts neben Micha Maya, daneben Angela, so dass Sabrina & Maya und Angela gegenüber von Gerd sitzen ….
Licht
Maya: Und jetzt? Jetzt haben wir den Salat.
Günter: Es ist nicht unser Salat. Es ist deren Salat. Unser Salat unterliegt der Geheimnisstufe eins, also der höchsten Geheimnisstufe im Staat, Staatsgeheimnis Salat. Du lachst? … Findhorn … Gerd und ich waren vor 5 Jahren da … ein EU Projekt der Grünen … sie züchten dort super große Gemüse mit heiligen Gesängen … ja, eben Findhorn, ecoVillage Findhorn. Wo warst du damals vor 5 Jahren, Micha?
Micha: Washington D.C., dann Bali und Thailand und letztes Jahr Athen, FlüchtlingsCamp Eleonas … das Interview mit Lefteris Papagiannakis, dem damaligen Vize-Bürgermeister, du erinnerst den Doku Refugee Camp Eleonas 2 years later?
Günter: Nein … doch … ich spreche wenig „English“ und konnte eurem Diskurs nicht folgen, sorry. Ich schaltete ab.
Sabrina: Weil dir der Saft ausging, Günter, weil dir der Saft ausging und ausgeht. Du bist zu alt für diesen Job als Stellvertreter. Maya – hat er dich schon dem Alten vorgestellt?
Maya: Nein. Soweit sind wir noch nicht.
Angela: Das ist das nächste Etappenziel … hast du gehört Micha, dein Vater, er ist jetzt fällig.
Micha. Das weiß er selber … Ich war am Wochenende in seiner Villa am See und fand ihn vor wie ihr ihn hier von Spitzwege gemalt seht ….
Bild von Spitzweg, der arme Poet
Micha:
Darum ist Günter so bedeutsam als Stellvertreter, besser gesagt
als einer der Stellvertreter. Günter erzähl von deiner
Rolle im Vorstand, besser gesagt, von deiner momentanen Stellung. (an
die anderen:) Darum hat mich Vater in eure Gruppe gesteckt. Er will
wissen, wie es um ihn steht.
Angela: Na klar, nur dass er da mit einem Laptop sitzt, sich einen Joint anzündet und seine Aktien-Spekulationen macht. Dem Bild nach würde ich sagen, er kauft gerade seine eignen Aktien.
Sabrina: Ach so, verstehe. Der Alte gibt seinen Aufsichtsrats-Vorsitz an Günter ab, Günter wechselt vom CEO zum Aufsichtsrats-Vorsitz.
Gerd: Ist dem so, Micha?
Micha: Ja, Vater´n tritt ab und ich bin noch zu jung für den Vorstand, deshalb bin ich in Günters Team, in eurem Team, eben in dieser Redaktionsgruppe des Welten online Konzerns. Klingt doch plausibel. Unsere Welten online Redaktionsgruppe im Tantra-Massage-Salon mutiert zum geheimen Vorstandsteam von Günter.
Gerd: Friedrich hat auch solch eine Gruppe. Günter, wird Friedrich dein Nachfolger?
Angela: Ich sag´ es ja, die reine Männerdominanz. Micha, du musst mit deinem Vater reden, du musst ihm nahe bringen, dass es Daniela macht. Sorg´ dafür, dass Daniela die Chefin wird. Sie ist Betriebsrats-Vorsitzende. Weißt du, was für einen Aufschrei es gibt! Wieviel Aufmerksamkeit und Clicks wir damit bekommen und Tesla ist weg vom Fenster.
Maya: Was willst du, Angela? Mir gefällt das Pärchen … Däni und Elon … sie sehen einfach wunderbar aus. Vielleicht heiraten sie ja.
Günter: Bist du verrückt!? Die beiden Elefanten, Renommee und Innovation, Tradition und Innovation,
Erfahrung und Glück, Erfolg, Triumph …
Gerd: Triumphirat!
Maya: Triumphirat ohne Ih: Trumprat … Trump-Rat …. der! … Günter, was machen die Mid-Terms?
Günter: Das ist Michas Job.
Micha: Ach so … keine Ahnung … oder was hat Elon mit Donald Duck zu tun? Duck! Duck! Hid yourself! A MIGeighteen, a MiG eighteen! A MiG eighteen!
Günter: Quatsch! Blödsinn! Es gibt keine russischen Bomber achtzehn. Die neunzehn, die MiG neunzehn gibt es bis hinauf zur MiG 35.
(Micha drückt auf dem Laptop einen Knopf, auf dem Retroperspektiv erscheint eine MiG 35)
Micha:
Ich wollte euch ein Bild zeigen bei dem die Bomben sich gerade vom
fliegenden Jagdbomber lösten und im freien Fall gen Ziel fallen,
aber das Foto ist weg. Vielleicht waren es auch keine Bomben, sondern
Überschallraketen. Das Iron
Doom fängt die Überschallraketen nicht ab. Wir sind
dann geliefert.
Maya: Gibt es die auch mit Atomsprengköpfen?
Angela: Ja, natürlich.
Micha: Wir … wir zerstören die in der Luft, die Überschallraketen werden nicht abgefangen, sondern gesprengt.
Sabrina: Ach so … Micha, und wenn jetzt dein Vater stirbt? … Das ist dann auch solch eine Bombe in deinem Leben.
Gerd: Laß ihn, sonst geht er noch hoch.
Maya: Meinst du, er ist eine lebendige Bombe, so eine, wie ein Baby, das alles verändert? Vielleicht bin ich schwanger, Micha. Ich hatte meinen Eisprung als du kamst.
Micha: Ach, deswegen warst du so als ich nach der Massage bei dir war.
Maya: Wahrscheinlich deswegen, obwohl ich die letzten Jahre immer so war, Micha. Also, wieso sollte es diesmal eine Überraschung geben?
Günter: Wir befinden uns also im Zustand der Unschuld und wissen noch nicht, ob wir die Masken abnehmen können oder nicht, ob wir uns angesteckt haben oder nicht oder welche Partei diesmal gewonnen hat und …
Maya und Micha aus einem Mund: … ob die Bombe fällt?
Micha: … die wir vorher sprengen
Maya: … das Baby heißt …. Talby … und Doolittle redet mit der Bombe 20 im Film Dark Star
Angela: Ja, genau, wir können alles ändern und zwar schnell oder erinnere ich den Celan Satz aus Sabrinas Gedicht Vortrag - "Es ist Zeit, daß es Zeit wird" so drängend wegen der hektischen Not des Krieges, dieser Cesaren-Kriege, dieser globalen Cesaren-Kriege des transatlantischen Khans mit dem Herrn des Osthimmels? Der nächst folgende Schlussatz lautet bei Celan: Es ist Zeit. Ich habe das erst nicht verstanden, jetzt verstehe ich es besser …
Sabrina und Gerd: … ob die Bombe zündete? ... schon
Angela und Günter: … ob wir gleich tot sind? ... wir schon
Die Schauspieler setzen sich, ein Sofa wird herein geschoben, die Tantra-Matratzen klatschen Beifall.
Micha: Der Tisch raus?
Gerd: Nein, lass ihn drin.
Ans Publikum gewandt:
Günter: Ihr seid eingeladen. Es gibt Wein, Saft und mal gucken, was es noch in der Theater-Kantine hat.
Gerd setzt sich mit Sekt Flasche auf den Bühnenrand, Sabrina neben ihm und schenkt aus, Gitarre und Musiker kommen auf die Bühne.
Angela: Was spielt ihr?
Maya: Sie sind erst einmal nur da.
Sie bittet Leute aus dem Publikum auf die Bühne. Abwarten, mischt es sich auf der Bühne? Löst sich das Stück in eine Begegnung auf? In ein Gespräch mit dem Regisseur, dem Dramaturgen, den Schauspielern, dem Autor?
Gibt es Applaus? Der setzt ein Zeichen des Endes und eines Zurückkommens in die "Wirklichkeit". .... OK, Danke für die Inspiration ... ich schicke dir zur heimlichen Lektüre auf deinen Stasi-Schreibtisch subversives Material eines postmodernen Dissidenten, eines Hochverräters angesichts der Ausrufung der "Freien Republik Wendland".
Kulturelle Widerstandspartie Pfingsten 2022