begonnen im Frühjahr 2022
Eigentlich
weiß ich nicht, ob es ein Drache ist, der in der Tiefe der Höhle
ruht, ob es also ein Ungeheuer ist, ein Monster, ein Tyrann, ein
Mörder, ein Gewalttäter, ein Übeltäter oder ob er, vielleicht
ist
es auch eine sie, denn es ist unklar, ob das Wesen in der Tiefe
männlich oder weiblich ist, ob es schlicht ein Mensch ist, der
nicht
so sein darf wie er ist, nämlich schwach, so schwach gegen sich
selbst und gegen andere, weshalb er sich zum einen zurück zieht
in
seine Höhle und zum anderen weshalb ihm ein Schutzpanzer aus
verhärteten Muskeln und Fett um seinen Leib gewachsen ist. In
der
tiefen, warmen Höhle ist es jedenfalls sicher, nichts kann ihm
dort
passieren, kein Leid kann ihn dort erreichen, denn dort herrscht
Ruhe
und Friede. Nach außen hin kaum kenntlich gleicht dieser Drache
einem Bären im Winterschlaf, doch innerlich geht die Post ab in
seinem Höhlengewölbe, denn es ist keine gewöhnliche Höhle in
irgend einem Berg, sondern es ist eine der wenigen Höhlen, in
der
der Fluss des Lebens sich sammelt bevor er am Fuß des hohen
Gebirges, das den Himmel trägt, austritt ans Licht der Welt.
Mithin
liegt dieser Drache am Quell des Lebens, also dort, wo das, was
wir
Wirklichkeit nennen, entspringt. Manchmal, wenn er vom langen
Liegen
und Träumen genug hat, macht er sich auf hinaus aus seiner
Höhle,
breitet seine weiten Flügel aus im Sonnenlicht und schwingt sich
in
die Höhe, wo er schwebend dahin gleitet und die Erde mit ihren
Städten und Ländern unter sich betrachtet. Tatsächlich hat er
besonders scharfe Augen und ein ebenso feines Gehör. Nichts
bleibt
ihm verborgen, denn sein Blick durchdringt selbst die dicksten
Mauern
und seine Ohren hören noch den leisesten Seufzer. Wenn der
Drache hoch droben alleine herum fliegt und von allem
erfährt, was auf der Welt vor sich geht, so ist er oftmals
erschrocken und bekümmert, denn, was er manchmal zu sehen und zu
hören bekommt, das ist schrecklich und fürchterlich traurig. Oft
sieht und hört er aber auch etwas so wundervoll Schönes, dass es
ihn in heiligen Schauern erzittern lässt. Es durchläuft ihn dann
gleichzeitig heiß und kalt, in seinem Bauch kribbelt es und seine
Brust und seine Kehle schnürt sich zu, weil Glückstränen mit
einem
großen Schluchzer aus der Tiefe seiner Brust durch die Augen
aufsteigen wollen, er das meist jedoch nicht zulassen mag und
kann,
denn sonst würde er anfangen richtig zu weinen und zu
schluchzen, was beim Segeln in der Höhe unweigerlich dazu führen
würde, abzustürzen in die bodenlose Tiefe. Insofern sind solche
Glücksmomente für ihn durchaus gefährlich, wäre da nicht das
weiche Luftkissen der Höhe, das ihn vor solch einem Glücksunfall
bewahrte. Tatsächlich verdankte er einem solchen Glücksabsturz
eine
ihm bis dahin unbekannte Flugtechnik. Mit Erstaunen hatte er bei
seinem Absturz bemerkt, dass das aufregend war und ihm ein
heiß-kaltes Kribbeln bereitete, sobald der plötzliche Schreck im
Magen, den ein jäher Absturz verursacht, vorüber war. Er probte
daraufhin eine Weile das Abstürzen, das Sich-Fallen Lassen bis
dahin, dass er es noch besser vermochte als ein Adler, so
geschickt
war er darin, dass es ihm eine besondere Freude wurde
gelegentlich,
wenn er etwas fürchterlich Schreckliches sah, einzugreifen. Er
stürzte sich in die Tiefe, erfasste mit seinen Drachenhänden,
ja,
er hatte richtige Drachenhände, groß und kräftig, mit denen
ergriff er die Menschen in Gefahr und trug sie zu einem sicheren
Ort. Er erwies sich aber nicht nur auf diese Weise als ein
Retter aus
höchsten Nöten, denn er konnte weit mehr als die Delphine im
grenzenlosen Meer, die große und kleine Menschen vor dem
Ertrinken
retten, wenn sie Schiffbrüchige im Wasser paddeln sehen. Unser
Drache
konnte nämlich in einer Art und Weise Singen, die alle, ob
Mensch
oder Tier, auf der Stelle glücklich machte. Hörte jemand den
melodischen Klang seiner Stimme, die oftmals nichts anderes war
als
ein Summen und Brummen, ein Murmeln und Schnurren, dann
überfluteten
den Zuhörer unweigerlich und sofort Glückswellen aus dem Bauch
des
Herzens, denn tatsächlich kam daher sein Gesang und steckte
jeden an, weil jedermann ein Herz hat, das unweigerlich mit
allen
anderen Herzen mitschwingt.
Eines
Tages als er durch die Lüfte schwebte, sah er wie im Osten von
Mittelerde ein riesiges Feuer entbrannte und zwar gleichzeitig
an
verschiedenen Stellen vom Sonnenaufgang her. Ganze Städte deren
goldene Kuppeln sonst im Sonnenlicht strahlten waren in
Rauchschwaden
gehüllt. Bald sah er, ein großer Krieg war entbrannt, weil der
Fürst im Osten sich von den Fürsten im Westen bedrängt, um nicht
zu sagen bedroht fühlte, wie er sagte, dabei aber war der
Ostfürst
ein schrecklicher Tyrann, der nach nichts anderem trachtete, als
dass
ihm von seinem Vater vererbte Ostreich wiederherzustellen. Nach
langen, langen Jahren war das Ostreich in sich
zusammengebrochen,
weil es die Maulwürfe untergraben hatten, es gab einen riesigen
Tumult in dem Gor, der rechtmäßige Ostkönig, abgesetzt und der
Graf von Moh zum neuen König gewählt wurde. Weil aber das
Ostreich
dermaßen ruiniert war, betrank sich der neue König von Moh jeden
Abend aus Kummer an dem er schließlich verstarb. Sein ihm
nachfolgender Sohn Pu von Pebu war ein scharfer und
unerbittlicher
Mann, der vor allem daran dachte, seine eignen Taschen zu
füllen.
Das ließ sich am besten bewerkstelligen, in dem er den geheimen
Männerbund der Fuhseebären des Großkönigs Gro neu belebte. In
dem
er sichere und feste Einkünfte monatlich, in der Höhe je nach
Rang
und Namen plus zusätzlicher Gewinnbeteiligungen an gewissen
Unternehmungen garantierte, hatte er eine zuverlässige Leibgarde
um
sich, während das einfache Volk darbte, allen voran die Elis aus
den
Spiegeltürmen von Moh und Pebu. Nun darf man sich nicht
vorstellen,
dass die Bären einzig im Palast von Moh Wache hielten, einige
taten das zwar, doch der Großteil der Bären war untergekommen
in den Spiegeltürmen von Moh und Pebu, wo sie sich als die
wahren
Chefs aufführten. Mit einigem Sachverstand, der vor allem auf
ihrem
übergreifenden Austausch auf Stammestreffen beruhte, waren sie
in
der Lage, die zersprengten Elis vor ihren Karren zu spannen. Sie
hatten den großen Durchblick, während die Elis einzig mit ein
wenig
Fachwissen den wachsenden Ansprüchen der Bären Genüge
leisten konnten. Da die Elis ihrem Wesen nach sehr schlau waren,
schafften es viele von ihnen entweder durch Heirat oder aber
durch
Verdienste im Stamm der Bären aufgenommen zu werden, so dass
binnen kurzem die Fuhseelis die Oberhand in Pebu und Moh inne
hatten. Doch über all diesen thronte der Innere Kreis des Königs
Pu
von Pebu. Dieser war der eigentliche Geheimrat des Königs Pu von
dem aus
die Impulse, Gesetze, Initiativen, Vorhaben und Projekte der
Pebus
ausgingen und zwar wie die Wellen in unserem See des Lebens,
erklärte unser Drache mit melodischem Singsangschnurren des
Glücks tief unten in seiner Höhle der zu ihr gekommenen
Oberpriesterin Maya aus dem Stamm
der Attika.
Es
ist eine Geschichte für sich, wie unser Drache und Maya schon
vor langen
Jahren Freundschaft schlossen. Das war zu der Zeit als unser
Glüksdrache die
Höhle im Himmelsberg entdeckte und sich an dem warmen Quellsee
der
Wirklichkeit erholte, um nicht zu sagen heilen ließ von den
schon
früher fürchterlichen Vorkommnissen auf der Welt. Er weinte
damals tagelang über das Grauen, das den Tutsis widerfahren
war,
weil der Bund der Völker und die Truppen des Khans von
Atlantis auf
die Intrige der Hutu hereinfielen und das Land irrtümlich
verließen
und die Hutu´s die Tussi´s zu Betonstaub zermahlten, um damit
ihre
Felder zu düngen, was natürlich nicht funktionieren konnte,
weil
Beton kein Kalk zum Düngen ist und die ausgemergelten Äcker
viel
Mist und Blödsinn brauchen, was freilich die super schlauen
Tussis
aus Altägypten wussten und darum durch Singen den Ton vom Kalk
lösten, viel Blödsinn hineinkippten und den so entstandenen
Saft
auf die Felder verspritzten. So hatte es ihnen die
Oberpriesterin
Maya in der Frühlings-Zeremonie beigebracht als sie mit einer
heiligen Schale und einem Baubostab, siehe anbei, die Felder
mit
Mergelmistsaft bespritzend segnete und dazu sang, was der Bach
ganz
in der Nähe summend murmelte, nämlich: „Geschwinde, ihr
wirbelnden Winde seid Es ist der Wind, der Wind bläst durchs
Rohr
fließt der Atem geht dort ein und aus dem Schilf stapft der
Vater
nach Haus´, nach Haus´ zum warmen Ofen, Ofen, nah der röhre
Röhre
das Licht, das Licht im Winde winde.“ Das verstand natürlich
Niemand, denn Niemand wusste alles und erklärte es den
Attakisten
wie folgt: Als der Vater nach Hause kam setzte er sich zu seinem
Sohn
und sagte: Morgen fährst du ins Landschulheim, dort triffst du
den
Schellenschlüssel von Ukra und wirst mit ihm allein in einem
Zimmer
mit zwei Etagenbetten sein. Du nimmst das linke obere
Etagenbett,
wenn er das andere obere Etagenbett nimmt, hast du gute Chancen,
dass
er irgendwann runter kommt, auf Toilette geht und du oben in
deinem
Bett liegst. Wenn Schellenschlüssel dann unten an dir vorbei
geht,
wird er Angst haben, dass du ihm von oben in den Rücken springst
und
du ihn kalt machst. Das machst du nicht. Untersteh dich, so sehr
er
dich auch provoziert. Bleib friedlich, freundlich und sing das
Lied
von Mai: Über den Wolken ist die Liebe grenzenlos und frei. Auf
Toilette wird darauf hin Schellenschlüssel noch mehr Angst
bekommen
und nicht zurück in euer Zimmer gehen. Du hast dann das Zimmer
gewonnen, die Ukras vertrieben und wir haben Frieden,
verstanden? Der
Junge nickte und tat, wie ihm vom Vater befohlen.