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Timmy und die Hexe Kunterbunt

Alles hat seinen Preis


Hexe KunterbuntDas war Timmy klar, in diesem Bergdorf bei seiner Tante Samantha gab es noch andere magische Gestalten als die Hexe Kunterbunt. Auf dem Rückweg aus der Stadt war er nämlich an ihrem Knusperhäuschen vorbei gekommen und hatte an ihre Türe geklopft, weil es so wunderbar und herrlich aus ihrem Küchenfenster süß und lockend duftete und da konnte er nicht widerstehen. Um ganz ehrlich zu sein, Timmy hatte den ganzen Weg durch den Wald an nichts anderes gedacht, als bei der Hexe Kunterbunt vorbei zu gehen, ob sie wieder gebacken habe und ob es wieder so lecker duftete bei ihr. Er kannte sie noch von den langen Sommerferien, wo er schon einmal von ihren leckeren Knusperkeksen bekommen hatte und seitdem mochte er die Hexe Kunterbunt, auch wenn sie richtig hexig, alt und wild aussah mit ihren langen, weißen Haaren, deren Rasta Zöpfe von einem Leben am Meer erzählten und von Palmen, Piraten und heißer Sonne, die ihr die runzligen Falten braun gebrannt hatten.

Artig klopfte er an der Türe ihres Knusperhäuschens und kaum hatte sie die knarrende Türe aufgemacht und ihn erkannte, sagte sie auch schon freundlich zu ihm: Natürlich bekommst du einen Knusperkeks, Timmy, doch jetzt setz dich erst einmal an den Tisch, trinke eine heiße Milch mit Honig nach deinem langen Marsch durch den Winterwald und erzähle mir, wie es bei dir Zuhause ist. Timmy guckte sie mit großen Augen an. Sollte er ihr von den Mittagstischen erzählen zu denen er und Mami Samantha gingen und wo sich so einige aus dem Dorf trafen und redeten, was es zu reden gab und es gab ja ständig etwas zu reden: Über die Nachbarn, über den Neuen, über den letzten Film, den einige zusammen im sogenannten Matratzenkino in der Stube von Heiko gesehen hatten und über das neue Dorfprojekt, die Gemeinschaftsküche. Eigentlich war noch völlig unklar, ob und was das da werden würde mit der Gemeinschaftsküche, so viel hatte sogar klein Timmy mitbekommen. Aber konnte er das der Hexe Kunterbunt erzählen, denn, das hatte er auch schon mitbekommen, die Hexe Kunterbunt war wegen der Knusperkekse im ganzen Dorf bekannt. Sie schmeckten super, einfach lecker und jeder, eigentlich jeder, ob nun Mädchen oder Junge oder Mama, Papa, Tanten, Onkel, Omas und Opas auch, alle aßen gerne von diesen Knusperkeksen, nur das war genau das Problem, sie machten nämlich dick, weil sie so süß waren und voll des braunen Zuckers aus Kuba, Rohrzucker.

Von daher hatte es seine Mama Samantha auch nicht so gern, wenn er die Knusperkekse von der Hexe Kunterbunt nahm. Das wusste Timmy, aber Mama Samantha wusste nicht, dass er genau jetzt bei der Hexe Kunterbunt saß und so gerne einen Knusperkeks von ihr bekommen hätte. Die Kunterbunt sah natürlich, dass Timmy extra und eigentlich nur wegen der Knusperkekse zu ihr gekommen war und nicht, weil er sie mochte, so, wie sie mit ihren Voodoo Zottel Haaren nun mal aussah und mit ihrem schiefen Zahn neben der Zahnlücke und mit ihrer langen Hexennase, die so lang war, dass oftmals, vor allem im Winter, wenn es schneite, ein kleiner Eiszapfen daran hing. Einen schwarzen Raben hatte sie auch auf ihrer Schulter sitzen. Der sprach mit krächzender Stimme: Wu Wu und hin ist die Kuh, wu, wu. Dabei flatterte er mit seinen schwarzen Flügeln, als wollte er zum Sprung ansetzen, um sich in die Lüfte zu schwingen.

Also, Timmy wollte einen Keks und dafür hatte er zu erzählen, so viel war ihm klar. Nur durfte er der Hexe Kunterbunt von den Treffen der Leute im Dorf erzählen? Er wusste nämlich nicht so ganz genau, ob die Hexe Kunterbunt auch dazu gehörte oder aber nicht und wenn nicht, dann erzählte er ihr ja etwas, worauf sie neidisch hätte sein können und das wollte er nicht. Er wollte ihr nicht weh tun damit, dass sie nicht dabei war, wo alle dabei waren, nur nicht sie.

Er überlegte kurz: Keks - also erzählen, außerdem, wenn er nichts sagte, wenn er einfach schwieg, dann würde die Hexe womöglich nicht nur böse, sondern … sie würde merken, dass er ihr etwas verschwieg, denn er war ja nicht verstockt. Er wollte mit ihr der liebe Timmy sein und dass sie nicht mit ihm böse wäre und er auch nicht mit ihr, weil sie ihm vielleicht keinen Keks gab, sondern ihn raus warf, weil er eben nur den Keks wollte, aber dafür nicht redete und so. Doch, er wollte auch die Hexe Kunterbunt lieb haben, auch wenn sie so hexig aussah. Also erzählte er alles, was ihm in den Sinn kam frei heraus.

Als wenn die Hexe Kunterbunt in seinen Gedanken gelesen hätte, stellte sie die Totenkopfschale mit den Kekslein auf den Tisch, nahm sich einen Keks und noch einen und noch einen. Es waren kleine, grüne Kekse und als sie ihm die Schale hin hielt, nahm er sich auch einen und dann noch einen und noch einen. Sie schmeckten rauchig duftend und so, so lecker.

Die alte Hexe Kunterbunt guckte ihn an und meinte: So, mein Kleiner, hat es dir geschmecket? Meine Zauberkekse sind doch einfach wunderbar, nicht wahr? Timmy nickte andächtig. Ja, einfach super! Super! Super, liebe Hexe Kunterbunt, bestätigte er Kopf nickend. Na siehste, Timmy, die Kekse schmecken dir. Und schmeckt dir auch …. ? … ihre lange, krumme Nase wandte sich fragend an die Decke, ihre Augen suchten und fanden auf der Küchenfensterscheibe einen bunten Schmetterling. Nein, nein, murmelte sie, der schmeckt dir, Räbchen Schwarz und dir, Timmy, was schmeckt denn dir? … Hm? … Timmy überlegte kurz. Eine Dattel, sagte er. - Eine Dattel?, wiederholte die Kunterbunt fragend. Eine Dattel, also, die ist echt süß und kostbar Timmy, kostbar. Was erzählst du mir denn für eine süße, große Dattel, Timmy?

Oh, das war richtig direkt. Ihm schmeckten zwar Datteln, aber so richtigen Appetit hatte er eigentlich nur auf die Zauberkekse gehabt. Die Hexe Kunterbunt stand auf, ging zum Schrank, machte ein Türchen auf und sagte: Komm, Timmychen, komm, hier habe ich Datteln. Schau! Komm! Er sollte kommen, obwohl er doch eigentlich gar nicht so richtig Datteln wollte. Er fand Datteln gut, aber eigentlich wollte er nicht unbedingt Datteln und vor allem, weil er etwas erzählen sollte für eine Dattel, die er nicht so unbedingt wollte, wollte er auch nicht so unbedingt zum Schrank und zur alten Hexe Kunterbunt rüber gehen. Außerdem wusste er gar nicht, was er hätte erzählen können, denn er hatte gar nichts mehr zu erzählen, dachte er. Von Mama Samantha und Tante Klara hatte er alles erzählt und am Montag ging es wieder in die Schule. So stand er verlegen auf und sagte: Ich mag jetzt keine Datteln und fast eingeschnappt: Zu erzählen habe ich jetzt auch nichts mehr. Ich will nach Hause gehen, liebe Hexe Kunterbunt. Dabei schaute er sie ein wenig besorgt an, ob sie ihm das jetzt krumm nahm, so krumm, wie ihre Nase war, ob sie ihm also böse wäre, denn irgendwie hatte er das Gefühl, die Kunterbunt wäre nicht zufrieden gewesen mit dem, was er vorhin für die zwei Kekse erzählt hatte, dass sie mehr von ihm wollte, viel mehr, so viel, wie Mami, wenn sie mit ihm im Bett kuschelte und an seinem Ohrläppchen knabberte. Dass das die Hexe Kunterbunt auch wollte, verstand er zwar, aber das war ihm einfach zu nah, denn sie war doch eine alte Hexe mit so einer langen Nase und solch einem schiefen Zahn.

Ich gehe jetzt … mal lieber … sagte er nur noch ganz leise und war sich sicher, dass sie es nicht gehört hatte, denn sie lachte ihn an, wobei ihre Zähne hell im Mondenlicht leuchteten, obwohl sie gar nicht so weiß waren. Ja, dachte er sich, vielleicht würde sie mich in den Offen stecken und Zauberkekse aus mir machen und mich dann zwischen ihre Zähne stecken und das will ich nicht.

Das willst du nicht, aber ich, lachte die Hexe Kunterbunt ganz hexig und du weißt ja, die Zauberkekse, Timmy, die Zauberkekse. Timmy war schon aus der Tür hinaus und guckte noch mal zur Hexe Kunterbunt zurück und grüßte: Einen schönen Abend, liebe Hexe Kunterbunt, damit drehte er sich um und stapfte den Weg hinauf durch Schnee nach Hause, kahl die Bäume, Äste dürr, doch rote Äpfel hingen dran und Blumen reckten ihre Köpfe gelb, orange und blau hoch aus dem Weiß, der Schnee. Ein Zauber lag in der Luft, ein Flirren zwischen den Sternen und Mondenschein hell das Licht der Welt lag auf der Wiese und leuchtete aus dem Stubenfenster, wo Mutti Samantha am Herd in der Küche stand.

Gerade wollte er zur Haustür hinein als der Rabe Schwarz hoch in den Lüften krächzte. Wie Timmy seine fliegende Gestalt im Mondenlicht suchte sah er, was es bis anhin noch nimmer nie gesehen hatte: Das Bergdorf seiner Tante Samantha lag an einem See und in diesen ragte ein Bergfels und auf diesem stand ein Schloss mit drei Türmen, deren Dächer leuchteten golden im Mondenlicht. Fenster waren hell erleuchtet und Musik wehte leise herüber zum Dorf. Was war das für ein Schloss und wieso hatte er es zuvor noch nie gesehen? Oder war das alles eine Halluzination, ein Wachtraum, den ihm die Zauberkekse der Hexe Kunterbunt eingegeben hatten? Er würde Tante Samantha fragen, was es mit diesem Zauberschloss auf sich hatte und damit schlüpfte er hinein ins Haus und saß als bald  auf der warmen Ofenbank.

Als Timmy die abwartende Stille von Mutti Samantha am Herd nicht mehr aushielt, denn na klar, sie wollte wissen, was er gemacht hatte und was er erzählen würde, legte er los. Er wäre bei der Kunterbunt vorbei gegangen und hätte drei kleine Kekslein bekommen, aber dann sei er lieber nach Hause gekommen als er auch noch Datteln hätte essen sollen und dafür etwas erzählen. Das sei komisch gewesen, als wenn eine Kraft ihn ergriffen hätte und diese Kraft sei stark gewesen und er habe sich richtig anstrengen müssen, um sich frei zu machen und um ohne weder der Hexe Kunterbunt noch sich weh zu tun, nach Hause zu kommen.


Hm … meinte da Mama Samantha, wobei sie zu seinem Bett hinüber ging und das Federbett aufnahm, das Fenster öffnete und es zum Fenster hinaus ausschüttelte. Kälte kam herein, doch es störte sie nicht, es brauchte frische Luft in der Stube und so ließ sie die Bettdecke einen Moment noch über den Fenstersims hängen, ehe sie es wieder schloss und die Bettdecke zurück legte aufs Bett, in dem er als bald lag und sie schon halb im Einschlafen fragte. Sag mal, liebe Mutti Samantha, ich habe ein Schloss auf dem Berg im See gesehen. Drei goldene Türme hat es und hell erleuchtete Fenster hinter denen herrlich gekleidete Menschen zu einer wunderbaren Musik tanzten. Bei Tag habe ich es noch nie gesehen. Kannst du es mir das erklären?

Hm ... meinte da Mutti Smantha ... das ist das Zauberschloss vom See. Es ist nur manchmal da und nur manchmal zu sehen. Wenn du schäfst, werde ich mich fein machen und hinüber gehen. Weißt du, heute, bei Vollmond ist dort ein großes Fest. Wenn du älter bist, dann wirst auch du dort feiern, doch jetzt schläfst du erst einmal, mein Lieber. Gute Nacht.

Damit zufrieden, schlief Timmy tief und fest ein und hörte nicht einmal mehr, wie seine Tante Samantha das Haus verließ und erst spät in der Nacht, kurz vor der Morgendämmerung, zurück kam, sich neben ihn legte und gleichfalls tief und fest einschlief.
 







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