Über Welten online





35 Jahre friedliche Revolution

Leipzig, 9. Oktober - Gewandhaus / Nikolaikirche


Michael Welten saß in seinem Camper und schaltete sich den Livestream der Festveranstaltung ein. Er war gespannt auf Olaf I., der eine bemerkenswerte Rede halten wollte, um sein angeschlagenes Image aufzupolieren, galt es sich bei den Leipzigern, den Sachsen samt der gesamten ostdeutschen Provinzen des neo-imperialistischen Reiches durch Geschenke des Wohlwollens beliebt zu machen, meinte Heinrich aus Quedlinburg war auch gekommen. Er saß mit roter Arabermütze im Rang, vierte Reihe, in der Mitte als ihn die Kamera am linken Ohr erwischte war die Kugel im Jetzt verschwunden. Wir hatten Angst um dich. Die Russen blieben still. Ein Flugblatt hier, ein anderes da. Da stand drauf: Wenn ihr Russen seid, gegen wen kämpft ihr? ...
Unter den Gästen der Oberbürgermeister von Kiew war ein Boxer in Berlin lernte er Deutsch sprach er gut und gerne an die hundert Kilo schätzte Michael Welten wog der Stein mit drei Gesichtern war ihm schlicht und ergreifend viel zu schwer und zäh floss der Brei kleckerte dem Alten auf den Teller fiel das Gesicht versank in der Suppe.


Nikolaikirche

Dann, nach längerem Warten, stimmte Matthias das Orchester auf Beethovens Overtüre zu Fidelio ein und spielte bis der Oberbürgermeister seine Reste von der Bühne fegte, wobei er die ehrenwerten Gäste der Bedeutung nach vorstellte, dabei aber seinen Kollegen aus Kiew vorzog, um auch etwas Vitalität ins Spiel zu bringen platzierte man die Blonde aus dem Norden zwischen ihn und Olaf I. berührte das nicht, denn die Blonde aus dem Norden gefiel allen also auch dir gefiel die Video-Montage zur Friedlichen Revolution in Leipzig war im Theater der jungen Welt mächtig was los als die Schwarz-Weiß-Aufnahme im Gewandhaus entstand ein „vorzeitiger“ Eindruck einer 1989 Vorzeit im Raum der Musik klang Birthlers Stimme nach Menschenrechten fand Chris saß mit rotem Käppi aus Nah-Ost im vierten Rang, Mitte, und in der fünften Reihe links erkannte Michael Welten den hast du da gesehen?, fragte sie, ob er gesehen habe, dass sie schlicht und mollig war und gerne lachte sie über Olaf I. saß nicht direkt neben Vitali saß die aus dem Norden war blond und nicht aus Estland kam die Kogge segelte dann zurück mit guten Winden im Herbst war das eine gefährliche Sache mit den Stürmen!, befahl der Kommandant schickte mit seiner Energie die Leute in den Tod, denn der Beschuss war mörderisch hart der Stahl zischt an dir vorbei, selbst wenn es nicht so aussieht, dann schlägt er ein oder prallt ab oder, je nach dem, wie die Schutzweste beschaffen ist, meinte die Blonde zu den beiden Männern an ihrer Seite lächelte sie froh und die Hauptstadt pulsierte ihr Leben unter einem Abwehrschirm lädt sie ein, etwas von Berlin, von Paris, von London, von Madrid und Rom in die Jazz-Clubs aus Prag kam die Melodie aus Kiew kam die Einladung ist ja lebensgefährlich, denn die andere Blonde ist eine rassige Türkin mit blond gefärbten Haaren ähnelt sie ihr, die auf Stöckelschuhen im Deux Pièce attraktiv die Blicke der Männer hinter sich herzog, Herr Herzog, obwohl Winfried aus Dresden gefiel sie zwar, aber man munkelte, sagte Münkler zu Winni vertrat den Glauben an sich selbst als dienender Bote des Herrn, der in der Kirche hing er am Kreuz verhauchte sein Leben wirkt fort durch seine Jünger können schreiben, was das Zeug hält zusammen, was zusammen gehört der Westen und der Osten trafen sich in Leipzig öffnet das Kaffeehaus Baum um zehn Uhr besprachen sich die Musiker saßen gemütlich beisammen bei Wein und duftendem Essen als der Hut rumging, tat jeder einiges hinein für den Herren mit Energieüberschwang galt es, sich zurückzulehnen in den Rollstuhl, die marokkanische Altenpflegerin wischte über seinen Mund, der Dirigent wurde ruhiger tat er so als ob er in Ludwigs Trauerspiel schwelgte, dabei beschrieb er ihre Beziehung, obwohl ihm Ludwig sagte, alles sei richtig wohlklingend rund und heftig impulsiv kam die Wut über den Tod des Meisters in die Komposition der Klänge zogen die Gefühle an, weil sie etwas wollten, sollten, machten aus dem Urgrund erklang die Melodie war eine Passage um Kap Horn ließ sich abkürzen, in dem du zu hörst, wenn er sagt als wäre es möglich: Habt euch alle lieb! Alle meinte nicht jeden, das war gar nicht nötig, sondern untereinander, miteinander brauchen wir wirklich mehr Disziplin, Ordnung, Sauberkeit und den schimpfenden Vater oder braucht das Ich Liebe, Freiheit und den Orgasmus bekam er nach ihr, dann lag er entspannt im Ruheraum der Sauna am See, die sie aufräumte, während er Staub saugte, wischte sie unten, was ihm gefiel die Liege mit Kuscheldecke, oh Mann, oh Mann, solche Ignoranz machte wütend und das zu recht, man oh man, sollten wir uns immer wieder sagen wir uns die anderen sind Schuld an meinem Leben liegt es, sagt die Vernunft wehrt sich bis zuletzt, dann schweigt sie still und Hoffnung stellt sich ein bei ihr hat er seinen tariflichen Lohn samt Weihnachtsgeld und Rentenzuschuss mit Sicherheitsgarantie ins höchste Alter katapultiert die Medizin ist technisch durchdrungen ins All der unbegrenzten Möglichkeiten schallt das Lied hinein und singt: Oh, lieb Vaterland hatten wenige erbten, andere gingen in die Stadt, tranken einen Kaffee und eilten hinüber in die Kirche stand noch … offen.

Es regnete nicht. Noch meinte der Himmel, das Wasser halten zu können als er sprach von Sarrazin erwies sich als Schlüsselfigur im Adenauerschen Oberhaus ging es drunter und drüber als sie sagte, die Welt, die ich gestalten will stand im Raum, schaute sich um, nahm hinter ihm Platz und stimmte mir zu – auf – zu – auf, die Tür war eine Salontür im Wilden Osten schoss John Wayne hörte das Lied vom Tod klang in den langen Strichen der Geige flirrte ein Duft der Vorzeit.









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