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Steinmeier, der wahre Glaubenskämpfer

Berlin Bellevue, 26. Februar 2019, Dirk Glomptner


Im Schlössli an der Spree gab sich wieder die Crème de la Crème ein Stelldichein. Der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und Liz Mohn, sprich die Bertelsmann Stiftung, hatten zum 6. Forum Bellevue geladen. Soll heißen, nicht nur, dass in den Ministerien die Lobbyisten gehobene Positionen und Aufgaben wahrnehmen, nein, der Staat zählt es seit Schröder zu seinen Errungenschaften, dass durch die Enge Zusammenarbeit von Wirtschafts- und Stiftungswesen mit Regierungsinstitutionen, wie zum Beispiel dem Bundespräsidialamt, die Ausrichtung von Events, wie dem Forum Bellevue, bedeutsame Steuereinsparungen und natürlich gesamtgesellschaftliche Synergieeffekte erzielt werden können. Ohne Zweifel, dieser SPD Bundespräsident hätte ohne die kräftige Unterstützung der Bertelsmann Stiftung wohl kaum auf solch hochkarätige Diskutanten und Gäste zählen können. Es sollte bei diesem 6. Bellevue Forum um Demokratie und Religion gehen, doch was kommt heraus, wenn Steinmeier von den 20 Rednern im Anschluss an das Podiumsgespräch lediglich 2 Frauen das Wort erteilt? Und vor allem, wenn die Diskutanten fast ausnahmslos Religionswissenschaftler sind? Ganz zu schweigen ist vom Alter, selbst wenn Methusalem Erhardt Eppler, 93, nicht auszumachen war unter den Gästen. Elaborierte Eloquenzija der Intelligenzija parlierte mithin über das föderale Distanzgebot des Staates in Sachen Religion, das sich freilich nicht auf die Wirtschaftslobbyisten übertragen lässt.

Glaubenskämpfer Bischof a.D. Wolfgang Huber

Wolfgang Huber, Bischof a.D., verteidigt die Evangelische Kirche als eine föderalistische. Auf dem Podium v.l. Mouhanad Khorchide, Frank Walter Steinmeier, Evelyn Finger & Hans Joas

Allen voran saß Evelyn Finger, die einzige Frau auf dem Podium. Als Ressortleiterin von "Glauben und Zweifeln" der Wochenzeitung DIE ZEIT verhalf sie, neben Hans Joas (Ernst-Troeltsch-Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und Professor of Sociology and Social Thought an der University of Chicago) und Mouhanad Khorchide (Leiter des Zentrums für Islamische Theologie Münster und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Herrn Dr. Steinmeier zu jener akademischen Brillianz mit der er im ansonsten ziemlich lichtlosen Schatten seines bundespräsidialen Amtes durch schnittige Sätze wieder einmal schillernd aufblühen durfte. Ob seine Gattin, Elke Büdenbender, in der ersten Reihe neben Liz Mohn, sein Gebaren als patriarchaler Moderator, Staatschef und Familienoberhaupt genoss, war nicht zu ersehen, ist aber doch zu vermuten, entspricht es doch ganz dem männlich-weiblichen Rollenverständnis dieser Herrschaften in fortgeschrittenem Lebensalter. Es legt nämlich nahe, dass sich vom erhabenen Podium, von der Kanzel oder der Minbar in der Moschee als auch vom professoralen Katheder aus, der Partnerin ein besonders attraktiver Eindruck vermitteln lässt. Zumeist befindet sich in patriarchalen Religionen und Demokratien nämlich dabei der Mann oben und die Frau unten und es ist tatsächlich eine Glaubensfrage und keine empirische, ob dies der Glückseligkeit beiträgt.

Ich erwähne dies, weil Frau Finger direkt von der vatikanischen Anti-Missbrauchs-Konferenz mit einigen verhindernden Umwegen dennoch eingeflogen kam. Ihrer Rede meinte ich entnehmen zu können, dass es in der katholischen Kirche nun mehr weniger um Strafe, Sühne und Entschädigungen ginge als vielmehr, wie den Opfern der sexuellen Repression durch das Keuschheitsgelübde innerhalb des Klerus, siehe Kurienkardinal George Pell, angesichts ihres so verbietenden Gottes geholfen werden kann. Doch dies bildete nicht den Gipfel der Debatte. Der evangelische Bischof a.D., Wolfgang Huber, erwies sich nämlich als so manchem jesuitischen Ordensbruder ebenbürtiger Redner angesichts der Verteidigung der demokratischen Strukturen der evangelischen Kirche, die nicht erst seit dem katholischen Vorbild Böckenfördes sozialliberal, sondern auch noch föderal wie die Bundesrepublik selbst zu nennen sei. Ich schloss aus seiner vehementen Verteidigung, die mir durch seinen Auftritt eine hugenottische Färbung bekam, auf den Anwurf, die EKD sei nichts als ein Fähnlein im Wind des Zeitgeistes, um nicht gar von einem opportunistischen Wendehals im Verhältnis zum wilhelminischen Kaiserreich, der Weimarer Republik, der nationalsozialistischen Diktatur und dem bundesrepublikanischen Föderalismus zu sprechen.

Dass der maßgeblichen Bedeutung der verfassungsrechtlichen Staatsrechtsentwicklung für die EKD aus dem katholischen Lager durch Joas lediglich die Selbstverherrlichung des Klerus mittels der zentralistisch organisierten Globalinstitution „katholische Kirche“ zum Ausgleich als Spitzenargument entgegen gehalten werden konnte, nimmt mich in der protestantischen Hochburg Berlin kein Wunder. Doch, hört!, hört!, die Anprangerung der Selbstverherrlichung durch Amt, Würde und theologische Sophisterei kommt der Nestbeschmutzung auf höchstem Niveau angesichts der Missbrauchsdelikte des Klerus gleich. Im politischen Raum entspricht dies in etwa einer längst überfälligen Selbstkritik bezüglich der Hartz IV Gesetze aus der nur ein bedingungsloses Grundeinkommen hervorgehen kann. Genauer betrachtet verkümmert mir jedoch Joas Vorwurf der Lasterhaftigkeit der Theodizee und der Verherrlichung der Herrlichkeit Gottes durch den Menschen als seine Schöpfung zu asketischer Lebensverneinung. Es ist nämlich zu fragen, was denn die Ästhetik der Kunst, z.B. der dreidimensionalen Klangchoralik einer postmodernen SurroundMusik (ich denke dabei an Michael Praetorius´ Sanctus, aber auch an viele andere, nicht nur 4-stimmig, sondern auch 4-oder 8-chörige Klangwerke, die den Zuhörer in den Mittelpunkt der multiplen Klangquellen setzen), anderes ist, als die Selbstverherrlichung des menschlichen Vermögens.

Offensichtlich wollte der AfD MdB´ler Münz, in einer vorwurfsvoll gehaltenen Frage an Steinmeier hetzerisch die Chance nutzen, um sich als deutschnationaler Christ zu outen. Ob das Christentum denn nicht mehr den maßgeblichen Teil des Fundaments des Grundgesetzes bilde, fragte er mit Seitenhieb auf den Islamwissenschaftler Khorchide. Mir klang es als ob die deutschnationalen Christen dem bayrischen Katholizismus den Rang ablaufen wollten. Joas drängte sich vor den Bundespräsidenten und antwortete dahingehend, dass die Tendenz dieser Frage eine Steilvorlage für den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und dessen Auffassung bezüglich der UN-Menschenrechtserklärung wäre.

Diese so schwergewichtige Staatsdebatte über das Wesen der Demokratie und der Religion versuchte ich auf einem anderen Blatt in einem anderen Buch zu fassen. Die dabei entstandene Geschichte schlägt in gewisser Hinsicht dem Faß den Boden aus. Nicht nur dass sie sich in der Form eines SinnWandel-Textes der landläufigen Grammatik entzieht, sie zeigt sich dabei vor allem tantrisch erotisch und fast nicht nachvollziebar lebensecht, finde ich. Viel Spaß!

Die einzig wahre Religion





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