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Das Leipziger Treffen

Leipzig Ende Mai, DG

Ließ sich das alles unter einen Hut bringen? Sabrina und Uli saßen im Leipziger Welten online Büro und beratschlagten, wie sie die Spitzen Events der letzten Woche verarbeiten wollten. „Natürlich jeden Termin einzeln für sich“, fand Sabrina, „schließlich besteht kein Zusammenhang zwischen Richard Wagners 200. Geburtstagsjubiläum, dem Weltverkehrsforum mit Ministern aus aller Welt, dem Festakt der SPD zum 150jährigen Geburtstag sowie den diversen Side Events, angefangen mit einer SPD Party auf dem Marktplatz, einer hochkarätigen Podiumsdiskussion mit dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, dem abendlichen Empfang der Gäste des International Transport Forums, einer Fahrradtour des Oberbürgermeisters mit diesen Gästen, einer nächtlichen Besichtigung des DHL Luftfrachtzentrums auf dem Flughafen, einer ITF Konferenz






WagnerDenkmal Leipzig

Zum 200. Geburtstag - Wagner als Comic Figur auf Leipziger Denkmal


zur FahrradVerkehrspolitik und schließlich der Pressekonferenz zur Vorbereitung der Gedenkwoche 200 Jahre Völkerschlacht. Leipzig war drei Tage der Fokus des Zeitgeschehens.“ Uli: Das ist aber auch alles – die drei großen Tage von Leipzig bei denen sich die Staats- und Gesellschaftsspitzen die Klinke in die Hand drückten werden nur durch ihren lokalen Bezug Leipzig zusammengehalten, ansonsten erscheinen sie, ich sage: scheinen sie so unverbunden, wie die einzelnen Schauplätze des über drei Tage gehende Gemetzels der Völkerschlacht für die Soldaten, die kaum über den Tellerrand ihrer Kompagnie hinaus gucken konnten oder die Stadtbewohner, die in die Tätigkeitskreise ihrer Lebens- und Arbeitsalltäglichkeit verstrickt waren.“ Uli hielt einen Moment inne, um dann fortzufahren: „Im Mittelpunkt steht deshalb für mich der französische Präsident François Holland mit seiner Rede beim SPD Festakt. Nur die Franzosen, der Élysée-Palast, lieferte auf meine Anfrage keinen Link auf eine deutsche Übersetzung.“ - „Na und“, erwiderte Sabrina, „es war so oder so nur eine dieser Sonntagsreden. Erzähl' lieber, was ging bei der Rathaus PK zur Gedenkwoche ab?“ - U: „Nun ja, Beerbaum, Tillichs Mann für Leipzig, kam zu spät, er hatte unterwegs wohl noch ein paar Würstchen zu essen. Er scheint sich gut mit Jung zu verstehen, zumindest reichte der ihm freundlich den Begrüßungskaffee rüber, so, wie es sich für einen Bürgermeister im Verhältnis zum Chef der Staatskanzlei gehört. Beerbaum quittierte mit satter Zufriedenheit. Er sollte wohl sicherstellen, dass Jung dem Ministerpräsidenten nicht die Show beim Wagner Staatsakt stahl. Zudem kündigte der Stadtmuseumsdirektor Rodekamp an, im Oktober gebe es eine Reihe von Gedenkveranstaltungen und Jung: Mit allerlei Prominenz, unter anderem der OBM von Moskau, Sergei Sobjanin – du weißt, der ist ein Jelzin Nachfolger und wenn es so kommt, wie gemunkelt wird, dass Putin von den eignen Leuten irgendwann gestürzt wird, dann ist der ein Mann in der ersten Reihe.“ - „Ah ja?“, erwiderte Sabrina spitz. „Zwar wird Putin nicht ewig im Amt bleiben, aber sich Gedanken über seine Nachfolge zu machen, das ist wie im Winter über den kommenden Sommer zu philosophieren.“ - „Genau und das angesichts dieser Klimakatastrophe oder findest du das Wetter normal?“, fragte Uli. „Man weiß ja schon nicht mehr, was was ist. Erst Kälte und jetzt diese Sintflut.“ - „Das ist nur regional“, warf Sabrina begütigend ein, „und zeitlich begrenzt. Nächste Woche scheint wieder die Sonne.“ - U: „Der Tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg soll als Nachfahre des österreichischen Generals gegen Napoléon teilnehmen.“ - S: „OK, das ist im Oktober und noch lange hin. Du hattest ja schon mal über ihn geschrieben, Der Universitätsbesuch. Du sagtest“, Sabrina kräuselte ihre Stirn und Uli wusste, sie fing jetzt zu philosophieren an, „diese Woche, diese Häufung von Ereignissen, wäre wie das Gemetzel der Völkerschlacht, die war jedoch geplant. Vor zweihundert Jahren gab es zwei Generalsstäbe, zwei Armeen, die aufeinander trafen und einander zu vernichten, zumindest zu besiegen suchten. In dieser Leipziger Gipfelwoche gab es jedoch keine aufeinander treffenden Parteien, keine geplanten Attacken und Angriffe der einen auf die anderen, sprich keinen Krieg und keine Toten. Es war alles zufällig, sowohl der Geburtstag Wagners als auch das SPD Jubiläum als auch das Weltverkehrsforum und wir mitten darin, mal ganz davon abgesehen, dass du ständig versuchst, einen Zusammenhang zu konstruieren und zwar auch da, wo keiner ist. Uli, du bist auf Verschwörungstheorien aus.“ - „Hm,“ Uli brauchte einen Moment, um Sabrinas Anwürfen etwas entgegensetzen zu können. „Du sagtest, es sei kein Krieg – Super, auch wenn Clausewitz meinte, nach dem Krieg, also im Frieden, sei die Zeit vor dem nächsten Krieg. Wie dem auch sei, nehmen wir unsere modernen Zeiten also als jene, die die Alten immer forderten, in denen der Krieg abgeschafft wurde und die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sich in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen von Experten auf Fachtagungen, auf die Teilnahme an Festakten, Partys, Ausstellungseröffnungen, Olympische Spiele, Fußball Weltmeisterschaften und Messen, insbesondere natürlich Buchmessen und kompetitive Lesetage wie „Leipzig liest“ verschoben habe, kurz in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um Gehört, Gesehen und Bedacht zu Werden, insbesondere letzteres, dann - und zwar insbesondere zu Wahlkampfzeiten - dann hast du es innerhalb dieser so ganz und gar unverbundenen Events sehr wohl mit einem brodelnden Kochtopf zu tun, in den diverse Ingredienzien gegeben zu einem besonderen Resultat führen. Unser Job ist es, eben dieses Resultat zu befördern, sprich gesellschaftliche Entwicklungen, kollektive Bewusstwerdungsprozesse voran zu bringen, zum Beispiel in dem wir diese Eventwoche analysieren.“ - S: „Das hört sich so abgehoben an, Uli. Woraufhin willst du denn das Ganze analysieren? Das ist doch kein Selbstzweck, das Analysieren. Es geht doch um ganz konkrete Sachen.“ - U: „Ja, ganz konkret geht es um Aufmerksamkeit, um die Aufmerksamkeit der Vielen für ganz bestimmte Probleme und für die Leute, die diese Probleme lösen sollen und da haben wir den Salat oder glaubst du, dass ein Mann wie der CSU Verkehrsminister Ramsauer irgendwie aus dem Dilemma zwischen dem Zwang zum Wirtschaftswachstum auf der einen und dem Klimadesaster auf der anderen heraus zu helfen wüsste?“ - „Eben, das ist es ja“, erwiderte Sabrina, „du hast deine parteiische Voreinstellung und hörst ihn gar nicht an. Egal, was er sagt, es ist Quatsch.“ - U: „Du hast Recht, ich glaube nicht, dass die Konservativen weiter bringen und zwar nicht, weil sie, wie die meisten Menschen, Veränderungen nicht mögen und alles so bleiben soll, wie es ist, sondern weil selbst wenn er richtig gute Sachen sagte, er mit seiner Politik seinen Leuten zuarbeitet und nicht meinen und mir. An der Stelle unterscheiden wir uns, Sabrina. Du meinst mit deiner Überparteilichkeit und deiner Unabhängigkeit, diesen hohen Idealen des Journalismus, die Wahrheit zu vermitteln. Die Wahrheit ist jedoch, es geht um etwas, um Vorteile für die einen und Nachteile für die anderen und letztlich bist du entweder bei den einen oder den anderen. Es gibt kein Jenseits für die Lebenden.“ - S: „Stimmt und deswegen bin ich für Ausgewogenheit, für Harmonie, für Verständnis und für Mitleid. Du kannst von Ramsauer denken, was du willst. Ich fand es zum Beispiel bezeichnend, dass er auf der ITF Podiumsdiskussion auf Englisch diskutierte. Ein konservativer, deutscher Verkehrsminister sieht sich im Zuge der EU Entwicklungen dazu gedrängt, seine Englisch Sprachkenntnisse zum Besten zu geben, das ist doch bezeichnend und vergleichbar mit solchen Erscheinungen, wie dass der Bundespräsident nicht mit angetrauter Gattin, sondern mit Lebenspartnerin erscheint.“ - U: „Eben nicht, ich hab die Schadt jedenfalls nicht beim SPD Empfang gesehen. Auch nicht den Ramsauer oder den OECD Chef José Gurría, dabei hätte es doch so nahe gelegen, Hollande, der Kanzlerin, Gabriel und Gauck die Hand zu drücken und vom ITF rüber zu kommen.“ - S: „Bestimmt nicht, du verwechselst dein Partyverständnis mit diesen von vorn bis hinten durchgeplanten Begegnungen. Solche Leute werden vorbereitet, die wissen, wer und was und vor allem, wo es hin gehen soll. Ich würde also nicht darauf schließen, dass Hollande und der OECD Chef Gurría, zumal er in Paris im Schloss La Muette seinen OECD Hauptsitz hat, sich aus dem Wege gingen und nicht miteinander könnten. Vielmehr liegt es nahe, den Mexikaner Guerría als Linken einzuordnen. Er ist PRI-Mitglied und war Außenminister unter Zedillo. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass das ITF absichtlich von der Norwegischen Präsidentschaft in diese Festakt Woche terminiert wurde, das wäre ja punktgenau. - U: „Wieso? Das ist die napoléonische Artillerie des Gesellschaftskampfs, die war genau so treffsicher.“ - S: „Nein, du machst damit die Terminierung von Gesellschaftsanlässen zu einem Akt der politischen Auseinandersetzungen. Das ist kaum vorstellbar, zumal man nie weißt, wen es da und wer sich da trifft und was sollten für einen solchen Terminplaner die Kriterien sein? Etwa: Nicht kleckern, sondern klotzen?“ - U: „Genau, es geht um die Anhäufung von Leuten; Politikern, Journalisten, Planern, Ministerialen, Konzernbeamten …“ - S: „Und mir geht es um die Anhäufung von Terminen und um meine Verzweiflung, mich nicht entscheiden zu können zwischen dem und dem und für den. Ich kann mich nicht drei teilen.“ - U: „Das ist zu wenig, dich sollten sie wenigstens vier teilen.“ - S: „Fünf teilen, so verhält es sich zumindest aktuell mit den politischen Mehrheitsverhältnissen.“ - U: „Was dabei heraus kommt, ist eine Sache der persönlichen Priorisierung, wobei das, wo du hingehst und was du machst, immer das wichtigste ist.“ - S: „Aber nicht das Beste. Ich sehe die Dampfwalze Terminschluss' auf mich zukommen und dann gehe ich da hin, obwohl es dorthin besser gewesen wäre, was mir dann nach hängt und was mich später reut.“- U: „Yep, das kenne ich. Weißt du, du kannst nur eines machen und das so gut als möglich. Vertraue darauf, das andere beim anderen ebenso das beste machen.“ - S: „ Das sagst du mir, der du so parteiisch bist und das beste für sich und seine Leute raus holen will?“ - U: „Tja, ich vertraue eben auf dich, so gut wie auf mich. Was anderes: Hast du gehört dass der von Klaeden, der Staatsminister im Bundeskanzleramt, zu Daimler wechselt und zwar übernimmt er von einem SPD Mann, einem Martin Jäger, die Abteilung für Politik und Außenbeziehungen und der Jäger wieder wechselt zurück ins Außenministerium als Botschafter in Afghanistan1. Ich sage dir, es ist eine dicke Suppe, ein Drähteziehen von Seilschaften und wir ziehen kräftig mit, nicht wahr. Also los, was hältst du davon?“ Uli reichte ihr ein Blatt rüber und Sabrina las:


Der Geburtstags-Festakt – 150 Jahre SPD

23. Mai 2013, Gewandhaus Leipzig

Ja, es ging auch bei diesem Festakt um Politik, um Machtgewinn, um Herrschaftsausübung, zumal in Wahlkampfzeiten. Bezeichnend war deshalb, dass der amtierende Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, keine Rede während des Festaktes zum 150 jährigen Gründungsjubiläum seiner Partei hielt. Das nimmt wunder, was eine schweizerische Redensart für genau das Gegenteil ist: Das lässt wundern, das macht neugierig. So mag es vom Züricher Zentralfriedhof vom Grabe August Bebels als Regieanweisung getönt haben. Bebel, Lassalle und Wilhelm Liebknecht, der Vater Karl Liebknechts, schauten von der Leinwand hinter dem Rednerpult in die Menge der Gäste des brechend vollen Gewandhauses zu Leipzig. Es waren ausgesuchte Gäste, sowohl was die bekannteren Persönlichkeiten als auch die regionalen Größen in den Tiefen der Parteigliederungen betraf.

Natürlich waren die Feierlichkeiten durchgestylt. Im Fernsehen übertragen und auf dem Marktplatz der Stadt auf Großbildschirmen gezeigt, ließ sich an eine Fernsehshow denken, an eine jener großen TV Shows, die zur abendlichen Abfütterung mit Unterhaltung in die Wohnstuben auf dem Land und in die verdichteten Ballungszentren gesendet wurden. Ein Staats- und Festakt, allein schon durch Anwesenheit des französischen Staatspräsidenten François Hollande sowie der deutschen Staatsspitze: Bundespräsident, Kanzlerin, Bundesverfassungspräsident, durfte diese Tönung einer gelungenen Unterhaltungsshow haben, schließlich sollte Feierlichkeit und Freudenstimmung zum Geburtstag aufkommen. Andererseits hatte sich ein solches Geschehen mit Würde und Erhabenheit abzusetzen vom allwöchentlichen Entertainment. Kurz, es war nicht nur eine staatstragende Partei, die sich zelebriert, es waren die Deutschen, die sich durch die Art und Weise ihrer Feierlichkeiten neu erfanden und zwar so, wie sie sich zu einem Fußball WM Finale 2006 in Berlin oder anlässlich einer Weltausstellung 2000 in Hannover der Weltöffentlichkeit darboten, nämlich, wie in diesem Fall, in einem frischen Frühlingsgewand, das, zum ersten mal getragen, der Trägerin selber einige Unsicherheit bezüglich der von ihm ausgehenden Wirkung bereitete, verursachte es doch eindeutig die nicht mehr zu verheimlichende Beobachtung: Die SPD ging schwanger. Sofortige Recherchen ließen auf einen Geburtstermin Ende September, im Anschluss an die Bundestagswahlen, schließen, wobei einige Einwände und Unsicherheiten die sonst übliche Terminierung zu einer Phase von 7 Wochen bis hin zur Schallmauer von Neuwahlen aufgrund der Unfähigkeit zur Regierungsbildung ausweiteten2. Es war abzusehen, dass die politischen Spekulationen sich auf diesen Verhandlungszeitraum zentrierten. Ausgangslage würden die von den Parteien gewonnenen Stimmanteile sein, wobei sich die SPD mit einer Doppelspitze, Steinbrück und dem Parteivorsitzenden Gabriel, einen strategischen Verhandlungsvorteil verschaffte, im Gegensatz zur CDU, die bislang mit ihrer Kanzlerkandidatin stand und fiel und ansonsten selbstverständlich zu allem bereit war. Mithin, alles stand offen.

Wir schickten unseren Freelancer Uli Hartmann ins Gewandhaus, sich die SPD Feierlichkeiten anzuschauen ...

S: „Ah, diesmal bist du es selber, der sich beschreibt und nicht ich, die du sonst immer vorschiebst,“ merkte Sabrina aufschauend an. „Wie findest du meine Story vom Wagner Festakt?“, womit sie ihm ein Paper von sich rüber schob:


Hoch soll er leben, zweihundert Mal: Hoch, hoch, hoch!

Oper Leipzig, Festakt zum 200. Geburtstag Richard Wagners, 22. Mai 2013

Sabrina, unsere Welten online Journalistin, hatte den Festakt zu Richard Wagners 200. Geburtstag bezeichnender Weise in der linken Loge des dem Gewandhaus gegenüber liegenden Opernhauses miterleben dürfen. Die Presseabteilung des Rathauses wusste, was der Politik ihres SPD Oberbürgermeisters Burkhard Jung entsprach und brachte in dieser Loge zwei weitere Pressekollegen unter, so dass sich die Herrschaften über die Ereignisse austauschen konnten. In der Loge ihnen gegenüber saßen 7 Pressevertreter, was nicht unbedingt heißen sollte, dass das die politischen Verhältnisse in der Medienberichterstattung spiegelte. Im strömenden Regen hatte der OBM nämlich zuvor im Beisein einer Urenkelin Richard Wagners, Nike Wagner, die sich als Leiterin des Kunstfestes Weimar einen Namen macht, unter den Klängen eines Blasorchesters, Tannhäuser – Einzug der Gäste, ein Wagnerdenkmal von niemand anderem als dem Bildhauer Balkenhol auf einem seit Urzeiten vakant gebliebenen Denkmalsockel Max Klingers eingeweiht. Vom Auto auf der Ringstraße aus gesehen, erinnere nun mehr Wagners Figur post-modern an eine bunte Comic-Figur Walt Disneys. - Und sei von daher gewöhnungsbedürftig, ergänzte der zweite Presse Kollege verschnieft, denn seine Anzugsschultern waren pitsch naß durchgeregnet, wozu der erste Kollege nur lächelte, seine Schultern waren trocken.

Unten hatte sich die Festversammlung der ersten Reihe erwartungsvoll niedergelassen, wieder sah Sabrina einen Platz zwischen Ministerpräsidenten Tillich und Leipziger OBM Jung leer als hielten sie Abstand. Die ersten Töne des Vorspiels zu den Meistersingern waren erklungen als noch ein Herr in den Publikumsraum schlüpfte und genau dort Platz nahm, Thomas de Maizière, der Bundesverteidigungsminister. Zur Zeit stand er arg im Rampenlicht eines Skandals um die Entwicklung von Kampfdrohnen, die die europäische Verteidigungsfähigkeit erhöhen sollten. Auch dies Wahlkampfgetöse, das jedoch offen legte, ein zentralistisch organisiertes System von Law and Order war weitaus effizienter, Tötungstechnologien zu entwickeln. In seiner Dankesrede für den Richard Wagner Preis prangerte der Schriftsteller Friedrich Dieckmann die militärischen Bemühungen des wiedervereinigten Deutschlands in Kriegen an erster Stelle mitmischen zu können an. Damit erinnerte er an Günter Gras, der sich 2006 zur Eröffnung des PEN Kongresses in Anwesenheit des Bundespräsidenten Köhler ausführlich zu den deutschen Kriegserfahrungen äußerte. Zu denken war nun mehr an den Beschuss deutscher Raketenstellungen an der türkisch-syrischen Grenze, die ein Eingreifen zu Gunsten pro-europäischer Kräfte und gegen die iranische Hisbollha in Syrien notwendig werden lassen könnte, natürlich unterstützt durch Rachegelüste, die in einschlägigen Medien und in Fußballstadien durch entsprechende Sprechchöre geschürrt, eine breite Zustimmung der öffentlichen Meinung bewirken würde.

Um dem Wagnerschen Anti-Semitismus die Spitze zu nehmen, hatte man den Nachwuchsförderpreis an den jungen Pianisten Ammiel Bushakevitz, einem Israeli und außerordentlichen Hoffnungsträger gemäß der Laudatio einer seiner Lehrer, einem Professor Pohl von der Leipziger Musikhochschule, vergeben. Als Sabrina den jungen Bushakevitz selber seine Dankesrede verlesen hörte, tat ihr das Herz weh. Wie war das zu verstehen? Drehte sich etwa Wagner im Grabe um, weil der Preis an einen Juden ging? Nein, vielmehr tat ihm durch sie das Herz weh angesichts des Holocaust und seines Verehrers Adolf Hitlers. ...

Uli schaute fragend vom Blatt auf und Sabrina beeilte sich anzufügen: „Na ja, ist noch nicht ganz fertig. Die Urenkelin Katharina Wagner fehlt noch mit ihrem saloppen Grußwort und der witzige Dirigent Schirmer, der das Gewandhaus Orchester dirigierte und den Chor mit dem Lohengrin Vorspiel entschuldigte, als sie den Chor nicht sofort auf die Bühne schickten.“ - U: „Ist schon OK, mir geht es eh nur ums Politische und das hast du mit der Replik von Dieckmann und dem Verweis auf die Anti-Kriegsrede von Grass wunderbar hin bekommen. Ich sah im Wagner Festakt eh nur das Vorspiel zu den wirklich echten und wichtigen Geschehnissen beim Weltverkehrsforum und beim SPD Festakt. Die Kunst, die Musik verhält sich bei solchen Anlässen ganz wie es das I Ging, das chinesische Orakelbuch, mit dem Zeichen Anmut beschreibt. Warte! Uli zog ein abgegriffenes Buch aus dem Regal, blätterte und las vor: Das Zeichen zeigt ein Feuer, das aus den geheimen Tiefen der Erde hervorbricht und emporflackernd den Berg, die himmlische Höhe, erleuchtet und verschönt, soll heißen, dass das, was dann kommt, um so bedeutsamer ist.“ Sabrina schwieg, weder hielt sie etwas von chinesischen Orakeln noch davon, dass die Kunst, die Musik, nichts weiter sein sollte als Beiwerk zur Verschönerung, besser gesagt Verschleierung der wahren Verhältnisse, dafür wurde sie jedenfalls zumeist eingesetzt. S: „Gut, das passt zum Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin, auch wenn die Chinesen heute nicht mehr orakeln, sondern Geld verdienen, die Umwelt verpesten und die Menschenrechte mit Füßen treten.“ - U: „Komm, sie wollen mitmachen beim eMobil. - S: „ eMobil? Nomen et omen, das heißt doch nur neue Atomkraftwerke oder woher soll der Strom kommen? Womit wir wieder beim ITF wären. Als du bei der Eröffnungsveranstaltung als einziger aufgestanden bist und den Harvard Prof nach dessen Lecture fragtest, ob und welche Lösungsvorschläge er für das Dilemma vom Zwang zum Wirtschaftswachstum und der Öko-Katastrophe habe, bin ich beinahe im Boden versunken. Uli, die hatten die ganze Zeit doch von nichts anderem geredet, als dass es um ein ökologisches Wachstum gehen müsse und das der Transportsektor seinen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten habe.“ - U: „ Ah ja? Es mag ja sein, dass ich nicht so gut Englisch verstehe, aber Amartya Sen hat keine schlüssigen Antworten gegeben, vielmehr ist er überhaupt nicht auf die Weltklima- und Umweltveränderungen eingegangen. Es wird nicht mehr thematisiert, dass das Polareis schmilzt und in direkter Folge Flutkatastrophen und Wirbelstürme entstehen. Es wird einfach weiter gemacht und nach mir die Sintflut. Zum Beispiel unsere nächtliche Betriebsbesichtigung des DHL Hubs auf dem Leipziger Flughafen, 60.000 Pakete in 7 Minuten. Wahnsinn! Als sie uns das Werbe Video zeigten und im Zeitraffer die landenden Frachtflugzeuge zu sehen waren, kamen sie mir vor wie Leuchtspurgeschosse, die immer in dasselbe Ziel trafen. Nach Professer Sen und dem Effect of Scale würde Wachstum die Umweltbelastung pro Luftfrachtsendung bestimmt senken, aber absolut fürs Ganze? … Die Ressourcen Einsparungen pro Stück werden bei weitem durch den absoluten Mengenzuwachs an Gütern für eine zunehmende Weltbevölkerung kompensiert. Es gibt keine Lösung, die Menschheit ist sich selber gegenüber so schwach wie ein einzelner angesichts seiner Gewohnheiten, Bedürfnisse, Wünsche. Mich wunderte, dass sie auf dem Transportforum nicht über Mitfahrgelegenheiten diskutierten.“ - S: „Du kannst es ja als Thema für eine Arbeitsgruppe und einen Side Event einbringen, so wie der Ahrens von der UNI Dresden sein Fahrrad Projekt „Integrated Bicycle Promotion for Central Europe“. Für Stadtplaner, die sich gute Ideen holen wollen, hatte er auf die Velo-city 2013 in Wien hingewiesen. Es bleibt abzuwarten, ob es demnächst ähnliches in Deutschland gibt.“

U: „OK, genug geschwätzt! Sag, wie soll ich das mit dem SPD Festakt weitermachen?“ - S: „Was war denn noch besonderes? Und vor allem, was ist deine Kernaussage?“ - U: „Überleg mal, wie wir da rein kamen. Wir hatten uns wie immer zu solchen Anlässen in feine Robe gelegt. Als wir bei einem Nebeneingang als Presse einchecken mussten, ging mir jedenfalls die Klappe runter. …. “ - S: „Welche? Die von deinem historisch tradierten Ritterhelm oder die von deinem Mundwerk?“ - U: „ Du tust ja so, als wenn es dich nicht foppte, dass sie uns mit ein paar Bildschirmen und Computerarbeitsplätzen in einem Nebenfoyer außerhalb des eigentlichen Festsaals abspeisen wollten. Ich fand das unmöglich und enttäuschend. Und so viele Kollegen saßen da und schrieben, was ihnen der Kameramann auf die Mattscheibe servierte. Hättest du die abgesperrte Treppe nach oben nicht entdeckt, ich wäre wohl gegangen.“ - S: „Wohin? Auf den Marktplatz zur großen Leinwand? … Wirklich, ich hatte solche Angst da hoch zu gehen. Wenn die uns gesehen hätten.“ - U: „ Na und? Das war investigativer Journalismus. Wir hatten ein gelbes Pressebändchen ans Handgelenk bekommen und mehr als raus schmeißen hätten sie uns nicht können. Nun aber oben, in den Hinterräumen des Gewandhauses, Kinder, eine Opernregisseurin und eine Regieassistentin in Vorbereitung ihrer Generalprobe für den Ring, einem Musiktheater des Gewandhauskinderchores. Während im großen Saal die Alten tagten, denn das SPD Jubiläum war doch echt eine Seniorenveranstaltung, probten die Kinder auf einer Hinterbühne den Aufstand, so als wären sie vom Pastor aus der Kirche in den Jugendgruppenraum geschickt worden, wo sie sich austoben konnten ohne zu stören. Hast du draußen vor dem Gewandhaus das Plakat einer kleinen Gruppe von den älteren Störenfrieden gesehen: „Herzlichen Glückwunsch! 99 Jahre Kriegskredite,“ hatten sie geschrieben und erinnerten daran, wie die Sozialdemokraten 1914 in Verantwortung für das Ganze eine Entscheidung trafen, die Millionen das Leben fürs Vaterland kostete. Die hatte der Bundespräsident übrigens nicht gemeint in seiner Rede. In der ersten Reihe saß Schröder und zumindest mir war klar, dass Gauck die Hartz IV Gesetzgebung meinte, die der SPD, weil sie mal wieder staatsmännische Verantwortung für das Ganze übernehmen wollte, 2005 die Regierung kostete. Dass der Gauck dem Schröder so unverhohlen um den Bart strich, lässt keinen Zweifel, dass der Herr Bundespräsident zum einen Hartz IV befürwortet und zum anderen den nach wie vor Drähte ziehenden Schröder besänftigen will. Staatspolitisch geht es um die Option gegebenenfalls erneut unliebsame Entscheidungen mit dem rechten Kanalarbeiterflügel der SPD durchzusetzen.“ - S: „Das wir da überhaupt reinkamen. In den Gängen lauter Sicherheitstypen. Sie guckten uns an und nichts geschah. Sie dachten, wir gehören dazu, wir wären welche von der SPD oder dem Gewandhaus und tatsächlich, wir hatten ja das Pressebändchen. Du, wir sind Stadtindianer, die sich überall einschleichen können, weil sie getarnt und die Schleichwege kennend überall reinkommen. Der Festsaal war propen voll und ich fand es symbolisch, dass wir ausgerechnet neben der riesigen Lichtkanone Platz fanden. In ihrem Lichtkegel die US amerikanischen Hip-Hop Tänzer und der dicke Gabriel. Er jongliert mit den Autoritäten, ob Staatspräsident, Kanzlerin oder Bundesverfassungspräsidentin, er hatte sich ja versprochen und souverän sofort eine politische Forderung daraus gemacht. Insofern sehe ich in ihm den kommenden Mann, was das Verhältnis zu Steinbrück als eine Generationenfrage in den besagten Lichtkegel rückt. Es ist dieselbe Frage wie mit Wilhelm und Karl Liebknecht, das Verhältnis von Vater und Sohn unter dem wir Frauen nicht nur leiden, sondern dass wir auch betreiben als Mutter und Geliebte. Für manche ist das übrigens eine ganz heilge Angelegenheit, diese Beziehung von Vater und Sohn, denn ihr entspringt der heilge Geist, nicht wahr. Merkst du, wie sich Spannung aufbaut? Die Polarisierung von profanen und sakralen Beziehungen, die sofort gegenseitige Verdächtigungen, Unterstellungen, Beschuldigungen, Angriffe, Verteidigungen, Rechtfertigungen aufkommen läßt, weil Respekt für einander zuwider laufenden Glaubensvorstellungen gefordert wird und deshalb nur schwer durchzuhalten ist. OK, komm laß uns ein andermal weitermachen.“



Rede Bundespräsident Gauck


1 SZ vom 31. Mai 2013, S.5, Abgang kurz vor Schluss

2 Nach GG Art 39, 2, Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl zusammen und GG, Art 63, 3-4, (3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen. (4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.




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