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Schimpansen Preview

Leipzig, 3. Mai 2013, DG

Das Max Plank Institut für evolutionäre Anthropologie (Primatenforschung) in Zusammenarbeit mit Walt Disney Nature zeigte in Leipzig einen, in drei Jahren Dreharbeit entstandenen Kinofilm über Schimpansen, genauer über das Heranwachsen von Oskar, einem kleinen Racker. Im Kino Saal mehrere Schulklassen, Durchschittsalter 8 bis 16 Jahre. Es herrschte gute Stimmung angesichts der gelungenen Abwechselung vom Schulalltag und angesichts der wahnsinnig schönen Naturbilder. Zwischendurch Mitleids- und Erstaunensausrufe, nach dem Film eine kurze Pause, dann Erläuterungen von Prof. Dr. Boesch, Direktor des zuständigen Max Plank Instituts. Die kritische Frage eines Schülers klingt vorwurfsvoll, er habe gehört, es sei eine falsche Geschichte mit zusammen gestellten Bildern. Ja, erklärt Boesch, man habe zu Beginn der Dreharbeiten noch nicht gewußt, was käme und habe retroperspektiv eine Geschichte mittels der gemachten Aufnahmen zusammengestellt. Ein Mädchen fragt: Warum haben die Affen Krieg gemacht? Antwort:“ Wenn der Nachbar deinen Apfelbaum in deinem Garten plündert, dann wirst du dich dagegen wehren.“ So erklärt man Kindern Krieg.

Meine, der Quantenphysik entlehnte Frage: In wie weit beeinflusst die nahe und wahrgenommene Beobachtung die Beobachteten?, erhält die Antwort: Wir machen das Langweiligste, was es für Schimpansen gibt, wir schreiben auf ein weißes Blatt, was wir beobachteten. Diese Antwort verändert meine Frage: Was sehen und verstehen die Beobachter und welche Geschichte zeigen sie in ihrem Film den Zuschauern, wenn das Bildmaterial nachgängig, bestimmten





Oskar, der
              Schimpanse


Überlegungen folgend, zu einer Erzählung zusammengefaßt wurde?, denn der Film ist ein Verschnitt aus verschiedenen Drehorten, Schimpansen Populationen und Szenen, wie die Mutter-Kind Interaktionen, z.B. die Hauptfigur Oskar, sie setzt sich aus mehreren Baby Schimpansen zusammen. Insgesamt ergibt erst die Editierung des filmischen Rohmaterials im Studio die spannende und schlüssige Filmgeschichte.

Eine der Forschungsassitentinnen erklärte, die jungen Schimpansinnen verließen zur Zeit ihrer Geschlechtsreife mit 10-12 Jahren ihren Clan und wechselten zu einem anderen Clan über. Die Männchen hingegen verblieben beim alten Clan, sie blieben quasi bei der Mutter, der sie freilich entwachsen. Das eröffnet Forschungsneugier: Wurde der Wechsel der Weibchen beobachtet? Woher weiß sie, zu welchem Clan sie gehen möchte? Gibt es natürliche Vorläufer von Hochzeitsriten, wie sie auch beim Paarungsritual von Vögeln zu beobachten sind? Ja, gibt es so etwas wie ein Inzest Tabu, also eine Vermeidung der Kopulation von einander verwandten Primaten? Und wie gestaltet sich die Beziehung der entwachsenen Männchen zu ihrer Mutter?

Der Film zeigt sich gerade durch die Zusammenstellung von unterschiedlichen Drehorten, Schimpansen Populationen und Szenen als ein Film, der sich aus wissenschaftlicher Beobachtung und Überlegung ergibt. Für die Filmproduktionsfirma Walt Disney Nature geht es jedoch weniger um Wissenschaftlichkeit als viel mehr um eine spannende und daher einen Hype auslösenden Film, den man gesehen haben muss. Das Resultat der Filmgeschichte reduziert auf zwei um Ressourcen konkurrierende Schimpansen Populationen, kurz, auf den Krieg der Urhorde. Die Erzählperspektive ergibt sich dabei aus der Sicht der zwei Alpha Männchen, Freddy und Ska, also der Gruppenleitung, der Regierung, der präsidialen Führung. Es ist z. B. völlig unklar, ob und welche Männchen es noch im Freddy-Clan gibt, auch nicht, welche Privilegien und Pflichten sich aus ihrer Führungsrolle ergeben.

Ohne Frage gibt es im Tierreich Auseinandersetzungen um Überlebensresourcen, wie hier um Nuss- und Feigenbäume. Sie können durchaus tragisch und schließlich glücklich für Einzelschicksale wie Oskar ausgehen. Dennoch scheint mir dieser Film mehr eine typisch US-amerikanische Verkürzung auf die Kernaussage der US-amerikanischen Welt- und Lebenseinstellung wiederzugeben. Dem Publikum wird durch die objektiv anmutenden Naturbilder suggeriert, in einer zunehmend durch andere verdichteten Welt, siehe Bevölkerungsexplosion, und daher von diesen im Kampf um Naturressourcen bedrohten Lebensumwelt, sei der Vernichtungskrieg ein natürliches Geschehen. Die Top one der kultur-industriellen US-Waffenschmiede Walt Disney legitimiert mithin, die auf dem Gesetz des Stärkeren, also der USA, beruhende globalpolitischen Auseinandersetzungen um Naturresourcen. Diese wird von mir nicht in Abrede gestellt.

Der Kinderfilm spart das Thema Sex als ungehörig aus. Nicht eine Szene widmet sich dem Lustleben der Schimpansen. Aus dieser Richtung kommend könnte die so harsch anmutende und auf die Schimpansen projizierte Kriegsrhethorik jedoch ihre Wendung erfahren: Nicht weiter verifizierte Beobachtungen, die sich aus dem Inzesttabu ergeben und zum Clanwechsel der geschlechtsreifen Weibchen führen, lassen vermuten, dass es den Angreifern nicht alleine um zu knackende Nüsse und damit Proteine zum Überleben geht. Anscheinend werden bei solchen Überfällen regelmäßig Gefangene gemacht und zwar Weibchen. Zwar kommt es bei den Kämpfen zu Verletzungen, aber selten zu Tötungen. Es wurde beobachtet, dass die gefangenen Weibchen von den fremden Männchen umringt wurden, genaueres entzieht sich gegenwärtig noch dem Zugriff der Feldforschung. Meist werden diese Weibchen dann befreit bzw. kommen frei. Es bleibt zu klären, ob solche Weibchen anschließend genau in diesen Clan der Angreifer überwechseln. Mitnichten kann also von Vernichtungsfeldzügen geredet werden, allenfalls von triebgesteuerten Rangeleien vergleichbar der von Adoleszenten. Vernichtung, systematische Zerstörung und zugehörige Kalküle scheinen weiterhin ein Privileg des Homo sapiens sapiens zu bleiben.

Die Lektüre des anthropologischen Klassikers von Norbert Bischof  "Das Rätsel Ödipus" dürfte diesbezüglich weiterführende Forschungen untermauern.


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