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Der Sprecher oder das Phänomen Zapatero

Madrid, im Juni 2010, DG

 Zapatero

Sie hatten gelacht. Zapatero, der spanische Regierungspräsident, im Gespräch mit dem Staatssekretär für äußere Angelegenheiten fühlte sich falsch verstanden und mokierte sich darüber, dass ihn unsere Korrespondentin Sabrina Moserbacher in ihrem Diskussionsbeitrag als Portavoz bezeichnet hatte. Offensichtlich lag es am aktuellen Begriffsverständnis des Präsidenten, dass er sich nicht als ein „Sprecher“ bezeichnen lassen wollte. Zapateros „Sprecherin“ würde vielmehr am Abend die Konferenz über die Zukunft der euröpäischen Medien mit ihrem Schlusswort beenden. Sra. Ma Teresa Fernández de la Vega, die durchaus etwas vom Äußeren der späten Ursula Engelen-Kefer hatte, war zudem so etwas wie die Kanzleramtsministerin und Vize Kanzlerin, insofern war sie mit Zapatero nicht im mindesten zu verwechseln.


Tatsächlich hatte Sabrina nicht gemeint, Zapatero wäre der „Sprecher“ der spanischen Sozialdemokraten, sondern vielmehr er könnte als der inoffizielle Sprecher der europäischen Sozialdemokratie angesehen werden, war er zur Zeit doch der einzige im Regierungsamt eines größeren EU Landes verbliebene Sozialdemokrat. Insofern war der Titel Sprecher, den vor Jahren noch Tony Blair in gewissen Journalisten Kreisen inne hatte, durchaus angemessen, fand Sabrina. Außerdem passte er zur Erscheinung des spanischen Regierungspräsidenten: schmal und schüchtern zeigte sie einen Mann, der zwar überhäuft war mit Ämtern und Entscheidungsbefugnissen, der aber ganz und gar nicht den Eindruck machte, eben diese Rollen und Aufgaben tatsächlich mit Macht auszufüllen. Viel mehr wirkte José Luis wie die vorgeschobene Person eines Machtgefüges von Leuten, von denen er abhängig war und für die er wie eine Marionette auf dem Stuhl des Präsidentenpostens saß. Ein Machtmenschen sah schlicht und ergreifend anders aus.

 

Sabrina fragte sich, ob es, angesichts der patriarchal maskulinen Strukturen der spanischen Gesellschaft und Eigentumsverhältnisse, dieser schmalbrüstige, klein und körperlich schwach wirkende Zapatero war, der den Frauen in der Regierungsriege am annehmbarsten erschien, da sie selber nicht in der Lage waren, die Verantwortung und Führungspositionen zu übernehmen und sie ihn deshalb ins Amt wählten und wieder wählen würden.

 

Angelangt an diesem Punkt ihrer Überlegungen, versuchte Sabrina das Muster ihrer Wahrnehmung der spanischen Regierungsverhältnisse, gegeben durch ihre personalen Spitzen, zu hinterfragen. Offensichtlich dachte sie strikt hierarchisch, so dass ihre Denke auf das Ideal eines starken, übermächtigen Chefs, hinter dem sich natürlich niemand anderes als ihr kulturell verinnerlichtes Vaterbild verbarg, zulief. Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass in Gruppen die Kristallisation der Gruppenstrukturen zu Rollen und einer Hierarchie, an deren Spitze sich ein starker Chef etablierte, ihre Einschränkungen durch die vereinten Kräfte anderer, miteinander in Konkurrenz stehender Mitstreiter erfuhr.

 

Auch im Fall der spanischen Regierungsmannschaft setzte sie also scharfe Konkurrenz um Gunst, um Wählergunst und um Positionen, diese zu erringen, voraus.

 

Für Spanien, in dem das Bild des großen, starken Führers durch den Diktator Franco und die Institution der Erbmonarchie, also durch Francos Rechtsnachfolger König Juan Carlos, vorgeprägt erschien, zeigte sich ihr dieser leichtgewichtige Bürokratenhengts als eine listig und intelligent wirkende Kompromissgestalt divergierender Ansprüche und Gesellschaftskräfte, die nun mehr vor der Aufgabe stand, das Unmögliche zu vollbringen und das Desaster der Finanzkrise und der vor allem auf einem vorhergehenden Immobilienboom beruhenden Wirtschaftskrise zu meistern. Angesichts seiner Verkündigung von radikalen Sparmaßnahmen planten die Gewerkschaften den Generalstreik und lavierten die spanische Sozialdemokratie so an den Rand einer Regierungskrise. Ein Sturz Zapateros wäre so etwas wie der Sturz Largo Caballeros, also jenes legendären PSOE Präsidenten des Bürgerkrieges auf den hin die Selbstzerfleischung der Stalin Marxisten mit der trotzkistischen POUM angesichts der faschistischen Vernichtung folgte. Derart wird ein Licht auf die Konfliktlinie des spanischen Gewerkschaftslagers mit der PSOE geworfen. Die Frage ist, ob sich in Spanien eine sozialdemokratische Politik wiederholen wird, die in Deutschland das Linkslager auf Jahre um eine Regierungsmehrheit brachte?

Auch für Spanien dürfte gelten: Ohne eine sozial-ökologische Analyse der ökonomischen „Zwangsmechanismen“, die die Rot-Grünen mit Schröder und Fischer in Deutschland beherrschten und zur Hartz Gesetzgebung brachten, wird sich keine verantwortungsvolle Regierungspolitik einer Linksallianz in Form einer Listenverbindung bewerkstelligen lassen, denn wie sollte aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt worden sein?

 

Die Zeit, 1. Juli 2010, Schuldenkrise: Spaniens sozialistischer Musterschüler hat abgewirtschaftet

 



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