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Das Treffen von Rapperswil

Rapperswil, 25. November 2008, DG


Bundespräsidenten08Alle Jahre wieder zum Dreiertreffen der Präsidenten der Bodenseestaaten. Der Ehrengast Liechtenstein steht in diesem Jahr angesichts des spannungsgeladenen Verhältnisses mit Deutschland im besonderen Rampenlicht. Sein Erbprinz als Regierungschef kann sicher sein, als Sperrspitze des Schweizer Kapitals fungieren zu können, mithin zum Büttel der eidgenössischen Steuer-, Banken- und Fluchtgeldinteressen gemacht zu werden.


Unser Korrespondent Michael Welten war neugierig, ob in der Pressekonferenz des Treffens diesbezüglich Verlautbarungen geäussert würden. Im Vorfeld konnte er vom eidgenössischen Departement für Äusseres nicht herausbekommen, was die Gesprächsinhalte der Herren wären. Geheimdiplomatie, zumal die Schweizer mit ihrer dezentralen Pressepolitik das Treffen als solches eher verwischten, als dass sie es publik machten. In Anbetracht seiner Bedeutung bzw. der Bedeutung der Staatsoberhäupter der deutschsprachigen EU-Länder, die im Rahmen der EU-Integration in den historischen Hintergrund abtraten, kein Wunder.


Die Damen der Herren interessierten Welten nicht weiter, gehörten Berichte über sie doch den Gefilden der Regenbogenpresse zu, also jenen Bereichen, in denen die hoch herrschaftlichen Gattinnen als Vorbild fürs gemeine Volk ausgeschlachtet wurden. Mode, wie und was gegessen wurde, ob das Ei des Gatten weich oder hart geköpft oder aufgeschlagen wurde, karikative Bemühungen, allesamt Themen der Frauen, die ihre Bedeutsamkeit in der Lebensalltäglichkeit und vor allem ohne Regierungsbeschluss entfalteten, schienen Welten nur verwischen zu wollen, worum es wirklich ging.


Weltens Lebenspartnerin Doris, ihres Zeichens eine älter gewordene Krankenschwester, die nun mehr der schweren Schichtarbeit im Krankenhaus durch eine Umschulung zu entkommen suchte und darum besser wusste, worum es wirklich ging, hielt von diesen Damen herzlich wenig. Als berufstätige Frau zeigte sie sich relativ resistent gegenüber der Klatsch und Tratsch von oben oder unten Presse. Am Frühstückstisch bat sie Welten denn auch nicht darauf zu achten, welche Farben die Damen auftrugen, nein, vielmehr wollte sie wissen, ob die Deutschen nun wirklich Ernst machten und die Schweiz samt Liechtenstein finanziell in Zwangsgewahrsam nehmen wollten, bis sie denn die Steuerflüchtlinge mit ihren Milliarden auslieferten. „Der Köhler,“ sagte sie, „ist doch selber einer von denen, ein Banker und Christdemokrat. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass der den Druck, den dieser Sozi Steinbrück in Berlin macht, weiter gibt.“ Sie meinte den SPD Finanzminister, mit dem die Christdemokraten in Berlin in einer grossen Koalition regierten. Dasselbe Schicksal einer grossen Koalition teilte nun mehr auch Österreich. Eine alte Politweisheit besagte: Klopft der Feind ans Tor, herrscht Frieden auf der Burg, sprich die alten Kontrahenten taten sich zusammen. Nur, wer war der Feind, der die Grossen Koalitionen im deutschsprachigen Mitteleuropa zusammen brachte und einen Burgfrieden bewirkte? Die grossen Parteien wurden vom möglichst gleichstarken Wählervotum in eine Zusammenarbeit gezwungen, die diese an sich oppositionellen Kräfte zusammen an den Kabinettstisch brachte? Ein Umstand, der in der Schweiz mit ihrem Konkordanzprinzip Gang und Gäbe war, bildeten doch immer 7 Bundesräte aus den unterschiedlichen Parteien die Regierung. Waren die Feinde also die Kommunisten, die seit Glasnost und dem Fall der Mauer, 1989, von der weltpolitischen Bühne verschwunden waren? Nein, vor allem wenn bedacht wurde, dass in Österreich eher die rechtsradikalen Kräfte in die Regierungsämter drängten. Das Gemeinsame der polarisierenden Links- und Rechtskräfte bestand vielmehr in der immer weiter auseinander gehenden Schere von Armut und Reichtum und zwar nicht nur innerhalb der deutschsprachigen Länder, sondern weltweit. Zuwanderung, Arbeitsplatzverlust und Finanzkrise, erschütterten die Substanz des westeuropäischen Gesellschaftsmodells. Waren denn noch die Renten sicher? Vor allem die frei angelegten Zusatzversicherungen, fragten die Vielen. Die Plutokratie hingegen zeigte sich beunruhigt angesichts der Steinbrückschen Attacken, den sicheren Hort ihrer beiseite geschafften Schätze in Liechtenstein, in der Schweiz und in Luxemburg gefährdet zu sehen. Die Aufhebung des schweizerischen Bankgeheimnisses - das gegenüber der USA im übrigen kein Thema darstellt, wie letzte Berichte über Datenflüsse in die USA von Bankkonten von US Bürgern zu Tage förderten - verursachte in der hiesigen, neo-liberale Presse einige Empörung. Wohin wandert das Geld denn nun aus?, lautet die besorgte Frage der Schweizer, die am Tropf des Kapitals hingen.


Doch die Sicherheitsgefährdung des Geldes durch die Sozis wird eingeholt durch die globale US Finanzkrise. Hinter dieser steht eine unglaubwürdig gewordene USA. Sie besticht zwar militärisch, aber ökonomisch zeigt sie sich zusammenbrechend wie die beiden World Trade Tower anno 2001. Damit steht die auf Erdölverbrennung basierende Wirtschaftsweise in Frage. Zum Platzen des Super Bubbles, wie George Soros die sich ausweitenden US Hypothekenkrise umriss, gesellt sich als Symptom zu Erdölvorkommen der Golfstaaten, die zur Neige gehen, zu schmelzenden Eiskappen an den Polen, zu verschwindenden Gletschern in den Alpen, zu Hurrikan Katrina, eine im Gleichklang mit der globalen Klimaerwärmung verlaufende Überbevölkerung, die skandiert wird von einem entsprechenden globalen Wirtschaftswachstum, so dass die Vision: Jedem Chinesen ein VW und jedem Inder zudem eine Waschmaschine in Alpträume ohne Schnee einmünden.


Pressekonferenz – Gedankenmitschnitt

In der Schweiz steht das Volk nicht auf, wenn der Bundespräsident den Raum betritt. Als Deutscher Staatsbürger fragte sich unser Korrespondent Welten, was er nun tun sollte: Aufstehen oder sitzen bleiben. Neben ihm eine österreichische Kollegin vom ORF, eine hübsche Auslandskorrespondentin, deren Ehrgeiz es sein musste, TV Moderatorin zu werden, wenn sie es nicht längst war, verweigerte sich dieser alten Tradition, dem Staatsoberhaupt die Ehre zu erweisen und blieb sitzen, als die vier Herren eintraten. Tatsächlich stand niemand auf und Welten hätte lächerlich ausgesehen, wenn er getan hätte, was in Deutschland üblich war.

Couchpin, der gastgebende Bundespräsident der Schweiz, beeilte sich das Wort, wie er sagte, dem Prinzip der Anciennität folgend, an den deutschen Köhler weiterzugeben. Aus Weltens Handschrift ist nun zu entziffern: Köhler möchte gern, gern möchte er weitermachen. Frisch und frohgemut sein Tonfall, der ihn auszuzeichnen scheint der Krise Herr zu werden, Herr zu werden auch der vielen Arbeitslosen, die nun kommen werden mit der Rezession, wobei es gilt in die USA zu schauen und nicht zur hübschen Nachbarin und zu ihrem Präsidenten und dann gilt es die Ursachenforschung voranzutreiben, damit diese Krise eine Chance wird, auch für den Klimawandel und dass die Weltgemeinschaft, nicht Weltgesellschaft, voran komme. Fischer, im breiten Wienerisch, ruhig und konziliant, auf seinen Standpunkten bestehend, die um EU-Wahlen oberflächig kreisen und hinunterreichen bis zum westlichen Balkan: Kosovo, Serbien, Slowenien, Ungarn, um schliessend einzuladen zum nächsten Vierländertreffen in Österreich und der Schweizer Couchpin gibt weiter an, wie er sagt, Durchlaucht: Jung und smart, darf der Herr Erbprinz auch etwas sagen und von Wahlen in seinem Fürstentum berichten, die man gnädigst gestattet, spottet es von hinten, während er seine wohl vorbereitete Rede wie geschliffen abspult und die Neuausrichtung des Finanzplatzes Liechtenstein ankündigt und so seine Räuberhöhle, in der die Schätze seiner Steuerflüchtlinge funkeln, anpreist, wie es im übrigen auch Couchpin macht, der sich an dieser Stelle der durchlauchten Rede ganz spontan an Köhler wendet, um ihn kollegial zu necken, während Fischer unbeteiligt am Rande dahin dämmert, fehlen dem Sozi doch die Millionäre, und Hoheit jugendliche Impulse zu geben sucht, dann aber den Unmut wegen zu vieler Worte erntet, da er von seinen sichersten Schatzkammern spricht, die unerreichbar seien für untreue Beamte seines Hofes, da nur er den Schlüssel trägt, wodurch das Vertrauen der Kunden, trotz Steuerkrise in einer Zeit der Instabilität, wieder hergestellt wurde. Klappe, Schnitt, keine weiteren Fragen mehr?, fragte Couchpin feststellend und ging mitschiebend, fast fluchtartig mit seinen Gästen zum Apéro unter acht Augen hinaus.


Nachtrag

Die neo-liberale NZZ Online bringt ein Artikelbild, bei dem erst einmal der Österreichische Sozi fehlt, auch sonst wird ihm keine Zeile, mangels finanzieller Masse, gegönnt. Deutlicher wird es im ORF Radio, das die Spannungen um die Gelder der Steuerflüchtlinge thematisiert. Eine Beschreibung der Rolle des Erbprinzen fehlt jedoch auch dieser. Der Eindruck, er könne zum Sprecher der Interessen des mitteleuropäischen Kapitals avancieren, bezieht sich auf seinen durchlauchten Tonfall, der sich freilich von dem des Londoner Bürgermeisters Johnson unterscheidet, wenn dieser angesichts des Krisen Budgets der Regierung Brown äussert: „Vielleicht reagieren wir ja auf den Stimulus wie verfettete, erschöpfte Labor-Ratten auf das letzte Stück Käse.“ (siehe NZZ) Wir? Das sind die da hoch oben auf dem Pferd zur Fuchsjagd ausreitenden Herrn der Finanzaristokratie, die das Funkeln im Dunklen ihrer Schatzhöhlen lieben.


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