Es
mutet
seltsam an, dass gerade die Iraner im Rahmen der Genfer
Non-Profilationsgespräche Sympathien gewinnen. Liegt es
daran, dass sie als New
Comer das globale Regime der Atommächte auf den Kopf stellen? Oder
daran, dass
sie den globalen Hegemonialanspruch der USA in Frage stellen und zwar
zu einem
Zeitpunkt, der sich mit dem Niedergang des US-Dollars als Weltwährung,
der
Subprime Crisis, dem US-Republikanischen Scheitern der Militärs im Irak
und dem
Ende des American Way of Life, angesichts von Öko-Katastrophe und
exorbitanten
Öl-Preisen, überschneidet? Mithin könnte ein Erfolg der Iraner bei
diesen
Gesprächen über ihr Atomprogramm, insbesondere über ihr Vorhaben der
Anreicherung atomaren Brennstoffs, einen Markstein setzen, der die
neuen
Kräfteverhältnisse in der Welt bezeichnet. Auf dem Verhandlungsparkett
der
neutralen Schweiz begegnen sich vornehmlich der EU-Außenminister Solana
und der
iranische Chefunterhändler für
das iranische Atomprogramm, Saed Jalili.
Solana
im Zuge der US Wahlen als verlängerten Arm des US demokratischen
Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zu begreifen, klingt genauso
futuristisch wie ihn als Sprecher einer globaldemokratischen Allianz
aufzufassen. Wie dem auch aus einer retroperspektivischen Betrachtung
zukünftiger Historiker wäre, zurück aus der Zukunft, mit dem Iran
begegnet das
Abendland dem Orient, wobei das muslimische Vorderasien sich ebenso den
atomaren Mächten der Inder und Chinesen gegenüber sieht, wie der
Okzident sich
den Nordkoreanischen Atommacht Bestrebungen. Wenn Hillary Clinton in
einer Wahlkampfdebatte
mit Barack Obama lakonisch feststellte, eine nukleare Aufrüstung des
Irans sei
weder gewaltsam noch durch Zwang zu verhindern, es sei denn der Iran
verzichte
freiwillig auf dem Verhandlungswege auf seine nuklearen Ambitionen,
dann fragt
sich, was für ein Verhandlungserfolg es für die Iraner sein müsste, der
sie von
ihrem Vorhaben abbringen könnte
Zum einen ist es
eine
technische Frage. Die Anreicherung spaltbaren Materials garantiert die
Versorgung mit atomaren Treibstoff aus eignen, also nationalen Quellen.
Gleichzeitig ermöglicht die technisch nun mehr mögliche höhere
Anreicherung
spaltbaren Materials den Bau von Atombomben. Der
Non-Proliferationspolitik geht
es um den Verzicht auf atomare Waffen. Mit ökologischer Politik, die
weder von
Atombomben noch von Atomenergie etwas wissen will, hat dies nichts zu
tun. Das
globale Regime der Atommächte, am meisten verkörpert mit dem Sitz im
Weltsicherheitsrat, den so genannten P5 Ländern, basiert auf nationalen
Kapazitäten der Anreicherung spaltbaren Materials. Es wäre ein Schlag
gegen
jede nationalistische Politik und eine Stärkung der Entwicklung
internationaler
Organisationen und der UNO, wenn die nationalstaatliche Souveränität
über die
atomaren Technologien aufgehoben würde. Die in Wien ansässige IAEA
(International Atomic Energy Agency) als supranationale bzw.
UN-Dachorganisation könnte ein ihr unterstelltes Konsortium bilden, das
die
friedliche Nutzung der Atomenergie garantiert und zwar gegen die
Zugriffe und
Einschränkungen nationalstaatlicher Interessen einer der Atommächte,
die
ansonsten als Lieferanten spaltbaren Materials auftreten. Eine solche
Entwicklung käme einem atomaren Integrationsprozess gleich, der auf
politischem
Felde dem des Europäischen Integrationsprozesses hin zu EU entspräche.
Wahrscheinlich ist
es naiv
anzunehmen und zu hoffen, der islamitische Iran, unter seinem
Präsidenten Mahmoud
Ahmadinejad,
könnte eine solche Politik der Stärkung Internationaler Organisationen
und der
UNO vorantreiben, bedeutete es doch quasi eine Unterordnung Allahs
unter das
Konsensprinzip der Weltgemeinschaft. Der Iran steht mit einer solchen
Verweigerung
nicht allein, auch die republikanische USA verweigert die Anerkennung
des
Internationalen Gerichtshofes für Menschenrechte oder die Beschlüsse
der UNO,
wie die Auseinandersetzungen um den Irak Krieg zeigten.
Der
Verhandlungsführer der
EU, Javier Solana, wirkte bei seinem Auftreten in der halbstündigen
Pressekonferenz professionell gelassen. Verhandlungen diese Art führte
er schon
oft. Dennoch erstaunt immer wieder das plötzliche Hervortreten einer
Nervosität
der Körpersprache und Mimik, nicht im Sinne von Unaufmerksamkeit oder
Erschöpfung, sondern vielmehr im Sinne einer Entnervtheit, die das
Resultat
eines Nervenkrieges während der Verhandlungen gewesen sein könnte.
Solana hat
zuweilen diese nervösen Dekompensationserscheinungen, die als
Entlastungen der
inneren Spannung während unbeobachtet scheinender Momente auf dem
politischen
Parkett zu Tage treten. Für die Foto- und Filmjournalisten schickt es
sich
nicht, genauso wenig wie für die schreibenden Berichterstatter, diese
durchaus
unästhetisch wirkenden Bilder zu bringen. Sie verhalten sich zu denen
der
deutschen Kanzlerin, bei der es der Presse nicht gegen den guten Ton
verstößt,
sie derart als Hässliche Deutsche zu zeigen. Wenn es in den politischen
Auseinandersetzungen um die Macht über die Bilder geht, weil die Macht
der
Bilder eine Wirkung zeitigt, die zur Meinungs- und Stimmungsbildung und
damit
zur Wahlentscheidung beiträgt, dann ist es eine Frage, weshalb es eine
Vorliebe
in den Medien für die Hässliche Deutsche gibt. Das Schamgefühl der
Deutschen
scheint sie jedoch nicht zu berühren. Im übrigen zeigen sich
diesbezüglich die
Frauen immer wieder empört und solidarisieren sich mit ihrer
Geschlechtsgefährtin und zwar über die politischen Grenzen hinweg.
Die Entnervtheit
Solanas
durch den Nervenkrieg während der Verhandlungen mochte ihren Ursprung
im
sprachlichen Hickhack haben, in einem Hin und Her diplomatischer
Winkelzüge,
basierend auf nichts sagenden Phrasen, die einzig dazu angetan sind, in
unverbindlicher Nicht-Festlegung der Verhandlungspartner verbleiben zu
können,
auf dass zu einem anderen Zeitpunkt von anderen Leuten, insbesondere in
den
USA, Entscheidungen getroffen werden. Insofern könnten die Genfer
Gespräche ein
Verhandlungsmarathon einleiten, der an die Abrüstungsverhandlungen der
UDSSR
mit den USA während des Kalten Krieges erinnert: Als Fortschritt galt,
gemeinsam an einem Tisch zu sitzen.
Der
iranische
Chefunterhändler für Nuklearfragen, Saed Jalili, zeigte sich im
Vergleich mit
Solana als ein jüngerer Mann. Auf Fragen iranischer Journalistinnen
reagierte
er freundlich lachend, eine ungezwungene Bubenhaftigkeit zum Ausdruck
bringend.
Dennoch verdunkeln seine dichten Augenbrauen den Blick und damit den
Eindruck
von Offenheit und Toleranz. Der äußere Anschein von dogmatischer
Engstirnigkeit
verstärkte sich in der Übersetzung seiner Ansprache. Viel war die Rede
von
positiven, konstruktiven Fortschritten, von Annäherungen und dem
Willen, die
Gespräche fortzusetzen, doch konkreter wollte oder konnte Jalili nicht
werden,
vielmehr übte er sich in der Kunst, nichts substantielles zu sagen. Im
Höheren
Diplomatischen Dienst muss dies eine allgemeine Übung sein, lange und
ausführlich drum herum zu reden und nichts verlautbaren zu lassen.
Die
anderen
Verhandlungsteilnehmer, insbesondere der US Chefunterhändler für
Nuklearfragen,
William
Burns,
traten bei dieser Pressekonferenz nicht in Erscheinung. Ein
chinesischer
Kollege hob hervor, es sei bedeutsam, dass mit Burns das erste Mal ein
Vertreter der USA in direkten Verhandlungen mit dem Iran stehe. Eine
eigne
Meinung hatte der chinesische Kollege jedoch nicht, dafür sprach aus
ihm die
Stimme des Volkskongresses. Es fiel schon häufiger auf, dass sich die
Chinesen,
ob nun Politfunktionäre oder Medienkollegen, die Formel zu eigen
gemacht haben,
China sei unabhängig und neutral und weder für noch gegen den Iran oder
die USA
oder bei anderen Angelegenheiten für sonst jemanden. Sie wären
unparteiisch,
betrachteten die Dinge, wie sie sind und favorisierten weder die eine
noch die
andere Lösungsmöglichkeit. Diese Positionierung als teilnehmender
Beobachter
ist einfach … stark. Man kann sie akzeptieren, man kann sie anzweifeln
und
angreifen, je nach dem, ob man mehr oder weniger von den Chinesen will.
Es ist
klar, dass sich hinter dieser nichts sagenden Meinungslosigkeit, wie
hinter der
großen, langen Mauer, massive Interessen verbergen. Im übrigen verwies
der
chinesische Kollege auf den Erfolg der Pekinger Gespräche mit
Nordkorea.
Offensichtlich hatte China die schützende Hand von diesem Land gezogen,
auf
dass es sein Atomprogramm einstellte, was demonstrativ durch das
Medienereignis
der Sprengung eines Kühlreaktors belegt wurde. Offiziell strich die USA
dafür
Nordkorea von der Schwarzen Liste jener Länder, die auf der Bush Achse
des
Bösen ihr terroristisches Unwesen trieben.
Letztlich
bleibt noch
bemerkenswert, dass die Pressekonferenz zur Präsentation der
Verhandlungsergebnisse im Genfer Parlamentssaal statt fand. Die
internationalen
Medien durften der politischen Inszenierung folgend ein Urbild
demokratischer
Verhältnisse transportieren. Die Journalisten fanden sich auf den
Sitzen der
Genfer Deputierten und ihre Wortmeldungen und Fragen glichen einer
stürmischen
Parlamentsdebatte. So dürfen sich nicht nur Iraner eine wahre
Demokratie
vorstellen: Lebhaft, frei, ungezwungen im Austausch mit der Obrigkeit,
die
hinter verschlossenen Türen ihre Verhandlungen über die Köpfe ihres
Volkes hinweg
zum Wohl und Besten ihrer Kinder durchführt.