Print

Genève Talks

Genf, Hôtel de Ville, 19. July 2008, DG

Es mutet seltsam an, dass gerade die Iraner im Rahmen der Genfer Non-Profilationsgespräche Sympathien gewinnen. Liegt es
daran, dass sie als New Comer das globale Regime der Atommächte auf den Kopf stellen? Oder daran, dass sie den globalen Hegemonialanspruch der USA in Frage stellen und zwar zu einem Zeitpunkt, der sich mit dem Niedergang des US-Dollars als Weltwährung, der Subprime Crisis, dem US-Republikanischen Scheitern der Militärs im Irak und dem Ende des American Way of Life, angesichts von Öko-Katastrophe und exorbitanten Öl-Preisen, überschneidet? Mithin könnte ein Erfolg der Iraner bei diesen Gesprächen über ihr Atomprogramm, insbesondere über ihr Vorhaben der Anreicherung atomaren Brennstoffs, einen Markstein setzen, der die neuen Kräfteverhältnisse in der Welt bezeichnet. Auf dem Verhandlungsparkett der neutralen Schweiz begegnen sich vornehmlich der EU-Außenminister Solana und der iranische Chefunterhändler für


das iranische Atomprogramm, Saed Jalili. Solana im Zuge der US Wahlen als verlängerten Arm des US demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zu begreifen, klingt genauso futuristisch wie ihn als Sprecher einer globaldemokratischen Allianz aufzufassen. Wie dem auch aus einer retroperspektivischen Betrachtung zukünftiger Historiker wäre, zurück aus der Zukunft, mit dem Iran begegnet das Abendland dem Orient, wobei das muslimische Vorderasien sich ebenso den atomaren Mächten der Inder und Chinesen gegenüber sieht, wie der Okzident sich den Nordkoreanischen Atommacht Bestrebungen. Wenn Hillary Clinton in einer Wahlkampfdebatte mit Barack Obama lakonisch feststellte, eine nukleare Aufrüstung des Irans sei weder gewaltsam noch durch Zwang zu verhindern, es sei denn der Iran verzichte freiwillig auf dem Verhandlungswege auf seine nuklearen Ambitionen, dann fragt sich, was für ein Verhandlungserfolg es für die Iraner sein müsste, der sie von ihrem Vorhaben abbringen könnte

Zum einen ist es eine technische Frage. Die Anreicherung spaltbaren Materials garantiert die Versorgung mit atomaren Treibstoff aus eignen, also nationalen Quellen. Gleichzeitig ermöglicht die technisch nun mehr mögliche höhere Anreicherung spaltbaren Materials den Bau von Atombomben. Der Non-Proliferationspolitik geht es um den Verzicht auf atomare Waffen. Mit ökologischer Politik, die weder von Atombomben noch von Atomenergie etwas wissen will, hat dies nichts zu tun. Das globale Regime der Atommächte, am meisten verkörpert mit dem Sitz im Weltsicherheitsrat, den so genannten P5 Ländern, basiert auf nationalen Kapazitäten der Anreicherung spaltbaren Materials. Es wäre ein Schlag gegen jede nationalistische Politik und eine Stärkung der Entwicklung internationaler Organisationen und der UNO, wenn die nationalstaatliche Souveränität über die atomaren Technologien aufgehoben würde. Die in Wien ansässige IAEA (International Atomic Energy Agency) als supranationale bzw. UN-Dachorganisation könnte ein ihr unterstelltes Konsortium bilden, das die friedliche Nutzung der Atomenergie garantiert und zwar gegen die Zugriffe und Einschränkungen nationalstaatlicher Interessen einer der Atommächte, die ansonsten als Lieferanten spaltbaren Materials auftreten. Eine solche Entwicklung käme einem atomaren Integrationsprozess gleich, der auf politischem Felde dem des Europäischen Integrationsprozesses hin zu EU entspräche.

Wahrscheinlich ist es naiv anzunehmen und zu hoffen, der islamitische Iran, unter seinem Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, könnte eine solche Politik der Stärkung Internationaler Organisationen und der UNO vorantreiben, bedeutete es doch quasi eine Unterordnung Allahs unter das Konsensprinzip der Weltgemeinschaft. Der Iran steht mit einer solchen Verweigerung nicht allein, auch die republikanische USA verweigert die Anerkennung des Internationalen Gerichtshofes für Menschenrechte oder die Beschlüsse der UNO, wie die Auseinandersetzungen um den Irak Krieg zeigten.

Der Verhandlungsführer der EU, Javier Solana, wirkte bei seinem Auftreten in der halbstündigen Pressekonferenz professionell gelassen. Verhandlungen diese Art führte er schon oft. Dennoch erstaunt immer wieder das plötzliche Hervortreten einer Nervosität der Körpersprache und Mimik, nicht im Sinne von Unaufmerksamkeit oder Erschöpfung, sondern vielmehr im Sinne einer Entnervtheit, die das Resultat eines Nervenkrieges während der Verhandlungen gewesen sein könnte. Solana hat zuweilen diese nervösen Dekompensationserscheinungen, die als Entlastungen der inneren Spannung während unbeobachtet scheinender Momente auf dem politischen Parkett zu Tage treten. Für die Foto- und Filmjournalisten schickt es sich nicht, genauso wenig wie für die schreibenden Berichterstatter, diese durchaus unästhetisch wirkenden Bilder zu bringen. Sie verhalten sich zu denen der deutschen Kanzlerin, bei der es der Presse nicht gegen den guten Ton verstößt, sie derart als Hässliche Deutsche zu zeigen. Wenn es in den politischen Auseinandersetzungen um die Macht über die Bilder geht, weil die Macht der Bilder eine Wirkung zeitigt, die zur Meinungs- und Stimmungsbildung und damit zur Wahlentscheidung beiträgt, dann ist es eine Frage, weshalb es eine Vorliebe in den Medien für die Hässliche Deutsche gibt. Das Schamgefühl der Deutschen scheint sie jedoch nicht zu berühren. Im übrigen zeigen sich diesbezüglich die Frauen immer wieder empört und solidarisieren sich mit ihrer Geschlechtsgefährtin und zwar über die politischen Grenzen hinweg.

Die Entnervtheit Solanas durch den Nervenkrieg während der Verhandlungen mochte ihren Ursprung im sprachlichen Hickhack haben, in einem Hin und Her diplomatischer Winkelzüge, basierend auf nichts sagenden Phrasen, die einzig dazu angetan sind, in unverbindlicher Nicht-Festlegung der Verhandlungspartner verbleiben zu können, auf dass zu einem anderen Zeitpunkt von anderen Leuten, insbesondere in den USA, Entscheidungen getroffen werden. Insofern könnten die Genfer Gespräche ein Verhandlungsmarathon einleiten, der an die Abrüstungsverhandlungen der UDSSR mit den USA während des Kalten Krieges erinnert: Als Fortschritt galt, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. 

Der iranische Chefunterhändler für Nuklearfragen, Saed Jalili, zeigte sich im Vergleich mit Solana als ein jüngerer Mann. Auf Fragen iranischer Journalistinnen reagierte er freundlich lachend, eine ungezwungene Bubenhaftigkeit zum Ausdruck bringend. Dennoch verdunkeln seine dichten Augenbrauen den Blick und damit den Eindruck von Offenheit und Toleranz. Der äußere Anschein von dogmatischer Engstirnigkeit verstärkte sich in der Übersetzung seiner Ansprache. Viel war die Rede von positiven, konstruktiven Fortschritten, von Annäherungen und dem Willen, die Gespräche fortzusetzen, doch konkreter wollte oder konnte Jalili nicht werden, vielmehr übte er sich in der Kunst, nichts substantielles zu sagen. Im Höheren Diplomatischen Dienst muss dies eine allgemeine Übung sein, lange und ausführlich drum herum zu reden und nichts verlautbaren zu lassen.

Die anderen Verhandlungsteilnehmer, insbesondere der US Chefunterhändler für Nuklearfragen, William Burns, traten bei dieser Pressekonferenz nicht in Erscheinung. Ein chinesischer Kollege hob hervor, es sei bedeutsam, dass mit Burns das erste Mal ein Vertreter der USA in direkten Verhandlungen mit dem Iran stehe. Eine eigne Meinung hatte der chinesische Kollege jedoch nicht, dafür sprach aus ihm die Stimme des Volkskongresses. Es fiel schon häufiger auf, dass sich die Chinesen, ob nun Politfunktionäre oder Medienkollegen, die Formel zu eigen gemacht haben, China sei unabhängig und neutral und weder für noch gegen den Iran oder die USA oder bei anderen Angelegenheiten für sonst jemanden. Sie wären unparteiisch, betrachteten die Dinge, wie sie sind und favorisierten weder die eine noch die andere Lösungsmöglichkeit. Diese Positionierung als teilnehmender Beobachter ist einfach … stark. Man kann sie akzeptieren, man kann sie anzweifeln und angreifen, je nach dem, ob man mehr oder weniger von den Chinesen will. Es ist klar, dass sich hinter dieser nichts sagenden Meinungslosigkeit, wie hinter der großen, langen Mauer, massive Interessen verbergen. Im übrigen verwies der chinesische Kollege auf den Erfolg der Pekinger Gespräche mit Nordkorea. Offensichtlich hatte China die schützende Hand von diesem Land gezogen, auf dass es sein Atomprogramm einstellte, was demonstrativ durch das Medienereignis der Sprengung eines Kühlreaktors belegt wurde. Offiziell strich die USA dafür Nordkorea von der Schwarzen Liste jener Länder, die auf der Bush Achse des Bösen ihr terroristisches Unwesen trieben.

Letztlich bleibt noch bemerkenswert, dass die Pressekonferenz zur Präsentation der Verhandlungsergebnisse im Genfer Parlamentssaal statt fand. Die internationalen Medien durften der politischen Inszenierung folgend ein Urbild demokratischer Verhältnisse transportieren. Die Journalisten fanden sich auf den Sitzen der Genfer Deputierten und ihre Wortmeldungen und Fragen glichen einer stürmischen Parlamentsdebatte. So dürfen sich nicht nur Iraner eine wahre Demokratie vorstellen: Lebhaft, frei, ungezwungen im Austausch mit der Obrigkeit, die hinter verschlossenen Türen ihre Verhandlungen über die Köpfe ihres Volkes hinweg zum Wohl und Besten ihrer Kinder durchführt.
 

Rice warns Iran after Nuclear Talks, NY Times, 7-21, 08

Die Schweizer Position


 
Print